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Politik: Bild dir ein Kabinett

Der deutsche Boulevard lässt die Köpfe von Hans Eichel und Otto Schily rollen – angestoßen von Hessens Roland Koch?

„Kanzler in Not - schmeißt er jetzt Eichel raus?“, fragte die „Bild“ am Montag auf ihrer Titelseite und spekulierte gleich über mehrere Köpfe, die im Zuge einer „Kabinettsumbildung“ bald schon rollen könnten. Darunter auch die von Sozialministerin Ulla Schmidt und Innenminister Otto Schily.

Selten scharf fielen am selben Tag die Dementis aus. „Mehr als Verachtung habe ich dafür nicht übrig“, polterte Kanzler Schröder vor der SPD-Präsidiumssitzung und verwies den Bericht ins Reich der „Krawallmacherei“. „Von hinten bis vorne stimmt nichts daran.“ Nach der Sitzung glaubte SPD–Generalsekretär Olaf Scholz, der von „Bild“ als Schily-Nachfolger gehandelt wurde, einen „Fortschritt im Journalismus“ zu erkennen. Früher hätten sich solche Meldungen wenigstens noch auf „Regierungskreise“ berufen. Inzwischen aber würden sie komplett frei erfunden. Und Regierungssprecher Anda präzisierte, der Bericht sei eine „Erfindung des Autors oder von wem auch immer“. Wer dieser „wer auch immer“ ist, glauben einige in der Regierung genauer zu wissen. Der Verdacht fällt auf Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Der rühmt sich noch heute dafür, den zweifelhaften Wahllügen-Untersuchungsausschuss erfunden zu haben, der vor allem Eichel überführen sollte. Nach Eichels Vernehmung vergangene Woche glauben jedoch selbst viele Unionspolitiker nicht mehr, dass sie ihm eine Lüge nachweisen können. Nun wolle Koch eben auf andere Weise versuchen, den Minister zu beschädigen, glaubt Eichels Berater Klaus-Peter Schmidt-Deguelle. Wie aber kam dann die „Bild“ ins Spiel?

Vielleicht ist ja der Frankfurter Opernball am Samstagabend an allem schuld. Dort saßen sich Koch und „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann nebst Gattinnen am Tisch gegenüber. Nach Tagesspiegel-Informationen sollen sich die beiden darüber unterhalten haben, wie man das Karriereende von Hans Eichel etwas befördern, sprich publizistisch flankieren könne. Interessanterweise hatte Koch am Tag vor dem Ball der „Leipziger Volkszeitung“ ein Interview gegeben, dessen Tenor der „Bild“-Geschichte vom Montag verblüffend ähnlich war. Zusammen mit Gesundheitsministerin Schmidt sei Eichel die „größte Schwachstelle der Regierung“, hatte Koch da gesagt, und dass der Minister auch in der eigenen Partei den Rückhalt verloren habe. Koch in Kürze: „Für Deutschland wäre es besser, er würde entlassen. Aber das muss die Regierung entscheiden, nicht die Opposition.“ Oder die „Bild“-Chefredaktion? Schmidt Deguelle ist sich jedenfalls sicher, dass die „Bild“-Geschichte mit oberster, sprich Diekmann-Hilfe ins Blatt rutschte. Der offiziell genannte Autor des Artikels sitze nämlich seit Jahren in Koblenz und habe „weder Ahnung noch Kontakte zur Bundesregierung“. Vom Opernball selbst wusste die Bild-Zeitung übrigens zu berichten, dass Koch sich nicht nur mit Diekmann, sondern auch mit einer „am Po gepiercten Dame“ unterhalten hatte. Die „Bild“-Bilanz: „Ein wirklich ausgefallenes Fest.“

Markus Feldenkirchen

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