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Suu_Kyi

© dpa

Birma: Die Angst der Generäle

Birmas Junta stellt Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vor Gericht – unter einem Vorwand.

Er war seit Tagen „talk of the town“ in Birmas Metropole Rangun. Am Donnerstag ist der Amerikaner John William Yettaw der unter Hausarrest stehenden Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zum Verhängnis geworden. In aller Frühe wurde sie abgeholt und ins berüchtigte Insein-Gefängnis gebracht. Eine erste Anhörung folgte sofort, am Montag soll der Prozess beginnen, berichten verschiedene Quellen. Die deutsche und andere Regierungen zeigten sich tief besorgt und forderten die sofortige Freilassung der gesundheitlich angeschlagenen 63-Jährigen.

Viele hatten sich gefragt, warum die Staatszeitung „New Light of Myanmar“ über einen mysteriösen Besuch eines Ausländers bei „der Lady“ berichtete. Das konnte nichts Gutes bedeuten, denn die Meldung offenbarte doch eigentlich, dass die Bewachung nicht funktioniert. „In Birma geschieht nichts ohne Hintergedanken, auch wenn die Dinge manchmal nicht wirklich durchdacht sind“, sagt ein Kenner der Verhältnisse. Der 53-jährige Yettaw aus Falcon, Missouri, soll Anfang Mai über den Inya-See geschwommen und drei Tage bei Suu Kyi geblieben sein. Auf dem Rückweg sei er verhaftet worden. Schon Ende 2008 habe er dort eine Nacht verbracht. Auch Yettaw wurde am Donnerstag dem Richter vorgeführt. „Es wurde aber keine Anklage gegen ihn erhoben“, sagte Drake Weisert von der US-Boschaft dem Tagesspiegel. Sie wüssten nicht, ob auch er in Insein sei. Dort sitzen viele politische Gefangene ein. Es heißt, dort werde gefoltert. Internationale Beobachter gehen aber davon aus, dass Suu Kyi in einer Art VIP-Bereich festgehalten wird: „Eine Märtyrerin wäre für die Regierung das Schlimmste.“

Aber die Militärs haben mit Yettaw einen willkommenen Anlass, um die Ikone der Demokratiebewegung vor den für 2010 angekündigten sogenannten Wahlen ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Sie habe unberechtigt Besuch empfangen. In Birma dürfen Ausländer nicht bei Einheimischen übernachten, jeder Gast muss mit Passnummer angemeldet werden. Suu Kyi ist in der Regel nur der Kontakt mit ihrer Haushälterin, deren Tochter und einem Arzt gestattet. Einer ihrer Anwälte sagte dem Oppositionsmagazin „Irrawaddy“, sie habe den Eindringling aufgefordert zu gehen. „Alle sind sehr aufgebracht über diesen Amerikaner“, wird Kyi Win zitiert. Viele halten den Mann für einen Spinner oder Stalker, sie trauen der Junta nicht zu, den Besuch eingefädelt zu haben. Doch auf die Anklage stehen drei bis fünf Jahre Haft. Suu Kyi stand 13 der vergangenen 19 Jahre unter Hausarrest. Am 27. Mai würde er ablaufen. Eigentlich hätte er selbst nach birmanischem Recht bereits 2008 nicht mehr verlängert werden dürfen. Nach Angaben des Anwalts sei Suu Kyi aber zuversichtlich, dass sie „nicht schuldig“ gesprochen werde. Beobachter befürchten anderes.

Rainer Adam, Leiter des Regionalbüros Südostasien und Ostasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Bangkok, sagte dem Tagesspiegel: „Das ist ein Einschüchterungsversuch der Junta vor den Wahlen 2010.“ Eigentlich hätten die Generäle das gar nicht nötig, da die Menschen ohnehin nach den jüngsten Verhaftungen und Urteilen eingeschüchtert seien. „Die Generäle müssen mehr Angst haben, als sie nach außen zeigen“, ist Adam überzeugt. An den für 2010 geplanten Wahlen darf Suu Kyi selbst nicht teilnehmen, aber offenbar fürchtet die Junta doch, dass Oppositionskandidaten viel Zulauf bekommen könnten. 1990 hatte Suu Kyi mit ihrer NLD die Wahl gewonnen, das erkannten die Generäle nie an. Experten meinen, dass sie versuchen, bei der Wahl nun auch ihre Kinder, die Zivilisten sind, an die Macht zu bringen.

Es gibt in jüngster Zeit weitere Indizien, dass die Junta sich ihrer Macht nicht ganz so sicher ist und sein kann. Zum Wasserfest im April erließ sie Kleidervorschriften. Das Tragen von Shirts der thailändischen Marke Nobody war verboten, darauf prangt ein großes „No“. Sie fürchten wohl doch Protest. In Mandalay ignorierten Menschen mehrfach Anweisungen der Polizei. „Hast du gesehen? Niemand gehorcht“, flüsterte dann jemand in der Menge. In Rangun mag das niemand glauben: „Hier wäre das undenkbar.“ Ein ausländischer Beobachter hörte es aber mit Freude. „Das ist doch Anlass zu Hoffnung“, kommentierte er das kleine Pflänzchen Widerstand.

Richard Licht

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