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Politik: Birthler legt nach

Stasi-Unterlagenbehörde gibt Akten über weitere 33 Ex-Bundespolitiker heraus – erhellend sind sie kaum

Von Matthias Schlegel

Berlin - Die Stasi-Unterlagenbehörde hat am Mittwoch rund 850 Seiten umfassende Akten über weitere 33 Politiker herausgegeben, die zwischen 1969 und 1972 dem Deutschen Bundestag angehörten. Die für Auslandsarbeit zuständige Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit hatte diese Parlamentarier, von denen 22 bereits verstorben sind, als IMA (inoffizielle Mitarbeiter mit eigenständiger Arbeitsakte) oder IMB (inoffizieller Mitarbeiter mit kombinierter Personal- und Arbeitsakte) registriert. Bereits Anfang August hatte die Birthler-Behörde Stasi-Unterlagen zu 16 Bundestagsabgeordneten derselben Wahlperiode an Wissenschaftler und Medien herausgegeben, die in der gleichen Weise auf den sogenannten F-16-Karteikarten registriert waren. Die Informationen stammen allesamt aus den erst in den vergangenen Jahren ausgewerteten Rosenholz-Dateien – auf CD- Roms gespeicherte Informationen der HVA, die nach der Wende in den Besitz der CIA gelangt waren.

Weder aus den damaligen noch aus den jetzt vorliegenden Akten könne eine „wissentliche und willentliche Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst nachgewiesen werden“, bewertet die Stasi-Unterlagenbehörde die Dokumente. Da unter der gleichen Registriernummer in der Regel mehrere Personen erfasst wurden, ist davon auszugehen, dass die meisten Bundespolitiker von IM im unmittelbaren Umfeld abgeschöpft wurden.

Zu den prominentesten Personen, die von der Stasi registriert wurden, zählen Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der frühere SPD-Chef und schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm, der unlängst verstorbene ehemalige CDU- Vorsitzende und Bundestagspräsident Rainer Barzel, der frühere Bundesinnen- und Verkehrsminister Friedrich Zimmermann (CSU), der einstige Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller (SPD), der FDP- und spätere CDU-Politiker Erich Mende sowie der SPD-Politiker Hans-Jürgen Wischnewski.

Bei Schmidt, Barzel oder Wischnewski ging es der Stasi offenbar in erster Linie darum, möglichst viele Informationen über die aufstrebenden Politiker zu sammeln. So enthalten die Akten sowohl von der Stasi recherchierte Details aus dem Leben der Politiker als auch abgeheftete Zeitungsausschnitte. Im Falle Schillers richtete sich das Interesse vor allem auf dessen NS-Vergangenheit. So wird in einem 30-seitigen Dossier intensiv seine Mitgliedschaft in der NSDAP und sein späteres Wirken als Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Kiel immer unter Bezug auf das Verhältnis zum Hitler-Staat betrachtet.

Zu den meisten Abgeordneten liegen nur ein paar Karteikarten vor. Im Falle Friedrich Zimmermanns ist das anders. Unter der gleichen Nummer, unter der die F-16-Karteikarte mit seinem Namen geführt wurde, sind Akten im Umfang von 144 Seiten registriert. Darunter befindet sich eine Themenliste mit 166 eingegangenen Berichte zur politischen Situation in der Bundesrepublik um das Jahr 1970, zum Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten und über einzelne Bundespolitiker. Die Berichte selbst fehlen. Dass Zimmermann eine der Quellen war, ist hingegen unwahrscheinlich, da es vor allem um außenpolitische Themen und um Interna aus der FDP geht.

Das ist das eigentliche Manko auch dieses nun vorliegenden Materials über die Westarbeit der Stasi: dass die undurchschaubare Quellenlage keine gesicherten Rückschlüsse auf möglicherweise fahrlässige Plaudereien oder gar gezielt gestreute Informationen der jeweiligen Politiker zulässt. Unter einer Registriernummer sind sowohl die Politikernamen als auch die (von der Unterlagenbehörde geschwärzten) Namen weiterer Personen verzeichnet, die wahrscheinlich im Umfeld der für die Stasi interessanten Prominenten platziert wurden. Unter der gleichen Registriernummer wurden darüber hinaus aber nicht nur originäre Berichte von diesen Quellen, sondern auch von der Stasi selbst angefertigte Informationen und Analysen abgelegt. Für Wissenschaftler ist all das ein reicher zeitgeschichtlicher Fundus an Interna über die Bundespolitik. Sensationen enthält auch dieses Material nicht. Spekulationen darüber, dass Stasi-IM in Fraktionsstärke im Bundestag gesessen hätten, sind abwegig.

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