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Politik: Bis zur Verjährung

Schweizer Untersuchungsrichter sind nicht gut auf die italienische Regierung zu sprechen. Seit diese im letzten Herbst ein Gesetzesdekret verabschiedete, das für laufende Prozesse nur noch Beweisdokumente aus dem Ausland als Originale zulässt und nicht mehr, wie in ganz Europa üblich, als Kopien, sind die Beziehungen zwischen Rom und Bern schlecht.

Schweizer Untersuchungsrichter sind nicht gut auf die italienische Regierung zu sprechen. Seit diese im letzten Herbst ein Gesetzesdekret verabschiedete, das für laufende Prozesse nur noch Beweisdokumente aus dem Ausland als Originale zulässt und nicht mehr, wie in ganz Europa üblich, als Kopien, sind die Beziehungen zwischen Rom und Bern schlecht.

Allen voran kritisiert die Schweizer Justizministerin Ruth Metzler-Arnold Italiens Rechtssprechung wegen dieses Bruchs mit der in Europa geltenden Justizzusammenarbeit zwischen den Staaten. Aus diesem Grund verweigerte sie jetzt ihre Unterschrift unter ein Abkommen, das bereits 1998 mit Italien ausgehandelt wurde. Inhalt dieses Dokuments ist der intensivere und problemlosere Austausch von Ermittlungsergebnissen aus der Schweiz oder aus Italien für laufende Prozesse im Nachbarland. Das bilaterale Dokument, das von der italienischen Mitte-Links-Regierung unter Giuliano Amato ausgehandelt worden war, sollte die europäische Konvention zur Justizzusammenarbeit abrunden.

Dieses Abkommen sei, meint die Ministerin, jetzt überflüssig geworden. Dank des neuen Gesetzes, so die Schweizer Kritik, drohen hunderte von Klagen gegen Politiker, darunter auch gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi sowie gegen Mafiabosse zu verjähren, weil die laufenden Prozesse gegen sie ausgesetzt und mit den originalen Beweisdokumenten aus dem Ausland noch einmal von vorn aufgerollt werden müssen. Die Weigerung von Metzler-Arnold, das bilaterale Abkommen zu unterschreiben, kommt nicht aus heiterem Himmel. Für ihre Kritik an dem neuen italienischen Gesetz schart die Justizministerin seit Monaten prominente Unterstützer hinter sich - bis hin zur Schweizer Untersuchungsrichterin Carla del Ponte.

Bernard Bertossa, Oberstaatsanwalt in Genf, wirft der italienischen Regierung vor, dass sie aus persönlichen Gründen Justizgesetze verabschiedet habe, um, so wird Bertossa in der in Rom erscheinenden Zeitung "La Repubblica" zitiert, "eine Rechtslage zu schaffen, die es erlaubt, dass gegen Regierungsmitglieder nicht mehr in vollem Umfang prozessiert werden kann". Ministerpräsident Berlusconi indes bezeichnete das Schweizer Verhalten als "unverständlich". Oppositionsführer Francesco Rutelli fordert hingegen eine parlamentarische Anhörung wegen der, so Rutelli, "internationalen Schande, die die Regierung Berlusconi unserem Land zufügt".

Am Donnerstag entschieden die Regierungen von sechs EU-Staaten im spanischen Santiago de Compostela die Einführung des europäischen Haftbefehls schon im Jahr 2003. Italien wird sich dieser Regelung allerdings nicht anschließen. In Rom hieß es, dass man vor 2004 noch nicht so weit sein wird. Zunächst müsse, erklärte ein Sprecher der Regierung Berlusconi, die Verfassung diesbezüglich verändert werden - und das könne einige Jahre dauern.

Thomas Migge

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