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Bischof Huber: „Wir brauchen keine Bestätigung aus dem Vatikan“

Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Huber über die Mühen der Ökumene und Probleme mit dem Katholizismus unter Papst Benedikt.

Das dritte ökumenische Treffen in Sibiu ist zu Ende gegangen. Man hat den Eindruck, der Verlauf habe alle Beteiligten ernüchtert …

Ernüchtert hat die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung in Hermannstadt diejenigen, die vorher unzutreffende Vorstellungen hatten. Dabei war die Ausgangslage klar. Wir haben in den großen konfessionellen Strömungen deutlich unterschiedliche Ökumenekonzeptionen …

Wie zeigen die sich?

Die römisch-katholische Kirche, unterscheidet zwischen kirchlichen Gemeinschaften und Kirche im eigentlichen Sinn. Zur Bedingung des ökumenischen Miteinanders zählt für sie eine Anerkennung des katholischen Amtsverständnisses unter Einschluss der apostolischen Sukzession (ununterbrochene Nachfolge der Bischöfe auf die Apostel). In der Orthodoxie werden vielfältige Auffassungen vertreten. Die russisch-orthodoxe Kirche spielt derzeit eine besonders starke Rolle, mit einer ganz bestimmten Auffassung von christlicher Kultur und Moral, die einen antiwestlichen Zug hat. Und wir haben schließlich die evangelische Auffassung, die ich als eine Ökumene des wechselseitigen Respektes bezeichnen will, der versöhnten Verschiedenheit. Wir erkennen die Tatsache an, dass es eben nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch bleibende Unterschiede gibt – und suchen auf dieser Basis nach gemeinsamen Entwicklungsmöglichkeiten. Das alles ist in Hermannstadt deutlicher hervorgetreten. Ich finde das nicht ernüchternd, sondern klärend, denn es ist höchste Zeit, dass wir den ökumenischen Weg nicht von illusionären Bildern bestimmen lassen.

Sie erwähnen den ökumenischen Weg. Die erste derartige Versammlung fand 1989 in Basel statt, die zweite 1997 in Graz. Gibt es eine Entwicklungslinie?

Ja, die gibt es. Sie hat zwei besondere Akzente. Basel war ein historischer Wendepunkt. Dort fand eine kirchliche Versammlung unter Einbeziehung von West- und Osteuropa ein halbes Jahr vor der großen Wende unseres Kontinentes statt. Basel ist deshalb in Erinnerung geblieben als eine Vorwegnahme und Wegbereitung dessen, was im Herbst 1989 passiert ist. Graz war dann der Versuch zusammenzubringen, was Kirchenleitung und Basisgruppen im Blick auf die Ökumene verbindet. Jetzt war Sibiu ein ganz bewusster Schritt nach Osten mit einer doppelten Aussage: Erstens, wir nehmen Europa wirklich als Ganzes wahr, und, zweitens, diese Ostverschiebung der Wahrnehmung schließt einen größeren Respekt für die reiche und vielfältige Tradition der Orthodoxie ein.

Wie haben Sie denn die katholische Präsenz in Hermannstadt erlebt? Hier Annäherung an die Orthodoxie, dort Distanz zu den Protestanten. Der Vatikan bestreitet der evangelischen Kirche das Kirchesein. Darf eine Institution, der so entsetzliche Irrtümer und Handlungen zuzurechnen sind, überhaupt eine Leitfunktion für sich beanspruchen?

Papst Benedikt hat mir Anfang Mai ausdrücklich versichert, dass die Bemühungen um eine neue Vertrauensbasis mit der Orthodoxie nicht gegen die reformatorischen Kirchen gerichtet seien. Die Überwindung der fast tausendjährigen Kirchenteilung ist eine historische Aufgabe, über deren Gelingen sich alle Christen nur freuen könnten. Die katholische Lesart des Verhältnisses zu den Protestanten fördert die Ökumene nicht, sondern behindert sie. Die katholische Kirche bringt sich selbst in eine widersprüchliche Lage. Einerseits möchte sie den Dialog voranbringen und das Erreichte nicht gefährden, andererseits bindet sie sich an dogmatische Formeln und Festlegungen, die dem entgegenstehen.

Sie haben die Situation ziemlich diplomatisch umschrieben …

… natürlich steht der römisch-katholischen Kirche überhaupt nicht zu, uns das Kirchesein abzusprechen. Unser Selbstverständnis als Kirche Jesu Christi ist auch nicht davon abhängig, ob es im Vatikan bestätigt wird. Wir haben in dieser Hinsicht noch keine Ökumene des wechselseitigen Respekts erreicht. Das ist ein Missstand. In der Tat bin ich davon überzeugt, dass es zum Kirchesein jeder Kirche gehört, auch selbstkritisch mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer gegenwärtigen Verfassung umzugehen. Sonst verfehlt sie ihren kirchlichen Auftrag. Zum Selbstverständnis jeder christlichen Kirche gehört es zudem, dass sie Sünde wie Gerechtigkeit, Gelingen wie Misslingen, Untreue wie Treue in ihrer eigenen Geschichte tatsächlich benennt.

Sie haben in Sibiu den Wunsch nach einem gemeinsamen Kanon geistlicher Schlüsseltexte des Christentums geäußert. Gibt es den nicht schon?

Natürlich beziehen wir uns gemeinsam auf den Kanon der Heiligen Schrift und auf die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse. Mein Vorschlag bezog sich nicht nur auf die Bibel, sondern darüber hinaus auf die großen Texte aus der Geschichte der Christenheit. Ich halte es für verlockend, in ein Gespräch darüber einzutreten, was für orthodoxe Christen die sechs oder zwölf wichtigsten Gebete oder Lieder sind, welche es für römisch-katholische und welche es für evangelische Christen sind. Man wird in diesem Kanon einen großen Überschneidungsbereich und vielfältige wechselseitige Bereicherung finden. Zu dem Neuansatz der Ökumene, den wir brauchen, gehört eine Ökumene der Spiritualität. Auch andere tragen diesen Ansatz mit. Auch Kardinal Walter Kasper gehört dazu.

Das Gespräch führte Gerd Appenzeller.

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