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Politik: Bitte keine Fragen

Die SPD-Führung absolviert einen ungewöhnlichen Auftritt vor der Bundespressekonferenz

Berlin - Irgendwann in dieser Woche harmoniegesättigter großkoalitionärer Hundert-Tage-Bilanzen muss die deutsche Sozialdemokratie und ihren Vorsitzenden Matthias Platzeck ein dringendes Mitteilungbedürfnis befallen haben. Es bestand wahrscheinlich darin, zu sagen: Wir sind auch noch da.

Platzeck sitzt auf dem Podium der Bundespressekonferenz, eingerahmt von Vizekanzler Franz Müntefering und dem SPD-Fraktionvorsitzenden Peter Struck. Es ist Samstagmorgen, 10 Uhr 30. Man könnte jetzt die Wochenendeinkäufe erledigen, aber es gibt Wichtigeres.

Das Führungstrio hat seinen ungewöhnlichen Auftritt unter das Motto gestellt: „Die SPD in der großen Koalition – Ausblick“. Im Moment sehen die Perspektiven nicht gerade glänzend aus. Merkel-Mania, schlechte Umfragewerte, Gerede über Spannungen zwischen Platzeck und Müntefering. Und am 26. März sind Landtagswahlen.

Was soll angesichts dessen nun werden aus der SPD in der großen Koalition? Platzeck sagt, dass die „sozial gerechte Erneuerung des Landes das Markenzeichen“ der SPD sein soll, und dass man dieses Markenzeichen noch „ins Bewusstsein der Menschen einpflanzen“ werde. Müntefering spricht von Regierungsinitiativen für junge und ältere Arbeitslose, von der Rente mit 67, von existenzsichernden Löhnen und vom Gestaltungsanspruch seiner Partei. Struck fügt noch hinzu, seine Fraktion werde alle Vorschläge von Platzeck und Müntefering umsetzen – „mal mit Änderungen, mal ohne“. Dann stellt ein Journalist noch eine jahreszeittypische Frage – es ist Karneval auch in Berlin – und will wissen, wer in dem „Dreigestirn“ der SPD der Prinz, der Bauer und die Jungfau ist. Struck reklamiert für sich den Bauer, Platzeck lehnt weitere Rollenspiele ab.

Vielleicht war es doch keine so gute Idee, eine Pressekonferenz zu geben, wenn man nichts wirklich Neues zu verkünden hat. Vielleicht rückt man damit genau die Fragen ins Zentrum, die man eigentlich nicht mehr beantworten will. Die nach der Geschlossenheit der SPD-Führung zum Beispiel und dem Verhältnis zwischen Vizekanzler und Parteichef. Nach den „Kikifax-Sachen“, wie Müntefering sagt.

Die Berichte über das Binnenverhältnis der SPD-Führung gehen dem Arbeits- und Sozialminister gewaltig auf die Nerven. Solche „Psychodramen“ stören beim Regieren. „Das ist ja alles so ein bisschen Pilcher“, sagt Müntefering. Er spricht von Rosamunde Pilcher, der Herz-Schmerz-Autorin. Aber womöglich meint er auch seine SPD.

Noch mehr als 1000 Tage große Koalition. Danach will die SPD den nächsten „Kanzler oder die nächste Kanzlerin stellen“, sagt Platzeck. Peter Struck zufolge hat der Brandenburger das Recht des ersten Zugriffs auf die Kanzlerkandidatur der SPD. Das hat der Fraktionschef jedenfalls per Interview in dieser Woche verkündet. Ein Fall von Kikifax?

Es sei doch verrückt, im Jahr 2006 über solche Fragen zu diskutieren, sagt Platzeck und tätschelt Struck den Arm. Müntefering erklärt, er sei im Jahr 2009 weit über 67 und habe es dann auch verdient, „dass ich beiseite treten kann“. Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen laufen übrigens in der Regel sonntags im ZDF (diesmal: „Sternschnuppen im August“). Und im Notfall ist die SPD ja auch noch da.

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