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Festgenommen. Das Netzwerk um die drei Terrorverdächtigen sei „noch nicht zu 100 Prozent aufgeklärt“ gewesen, sagt BKA-Chef Ziercke.

© dpa

BKA: Al Qaida plant Anschläge: Keine Entwarnung bei Terrorverdacht in Deutschland

Die am Freitag festgenommenen mutmaßlichen Al Qaida-Terroristen sollen laut BKA bereits konkret einen Sprengstoffanschlag in Deutschland vorbereitet haben. Die Festnahme sei kein Grund zur Entwarnung.

Von Robert Birnbaum

Die Formulierung klingt harmloser, als sie gemeint ist: Die drei am Freitag festgenommenen Terrorverdächtigen seien beim Bombenbauen „noch in der Experimentierphase“ gewesen, sagt Bundesanwalt Rainer Griesbaum. Der Anklang an den Chemie-Saal in der Schule und den „Kosmos“-Experimentierbaukasten daheim dürfte eher keine Absicht gewesen sein. Das Trio, das am Samstag in Karlsruhe dem Haftrichter vorgeführt wurde, hat nach Überzeugung der Ermittler sehr konkret auf einen Anschlag hingearbeitet, bei dem viele Menschen Leben und Gesundheit hätten verlieren können.

Die Gruppe ist allerdings schon seit einem halben Jahr im Visier der deutschen Ermittler und wird seither mit hohem Aufwand überwacht. Die Hinweise auf sie verdanken sich einerseits dem Informanten, dessen Angaben im vorigen November den damaligen Innenminister Thomas de Maizière zu einer öffentlichen Terrorwarnung bewogen hatten. Konkrete Fingerzeige auf den mutmaßlichen Anführer, den 29-jährigen Marokkaner Abdeladim Al-K., steuerten zudem US-Geheimdienste bei. Die Amerikaner hatten nach Auskunft des Chefs des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, beobachtet, dass der Marokkaner Anfang 2010 in einem Al-Qaida-Ausbildungslager im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet trainiert worden war. Sie wussten außerdem zu berichten, dass ein hochrangiger Al-Qaida-Führer ihn persönlich damit beauftragt habe, nach Deutschland zu fahren und sich dort Helfer für einen Anschlag zu suchen.

Ermittler des Bundeskriminalamtes verlassen am Freitag in Düsseldorf ein Haus, in dem in der Nacht zum Freitag mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen festgenommen worden sind.
Ermittler des Bundeskriminalamtes verlassen am Freitag in Düsseldorf ein Haus, in dem in der Nacht zum Freitag mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen festgenommen worden sind.

© dapd

Der Marokkaner – der seit 2001 in Deutschland gelebt und ein Technik-Studium in Bochum abgebrochen hatte – fand sie in dem 31-jährigen Deutsch-Marokkaner Jamil S. und dem 19-jährigen Deutsch-Iraner Amid C. Der Deutsch-Marokkaner war offenbar der Geldbeschaffer, der Deutsch-Iraner war der Mann für die Kommunikationstechnik – die Auftraggeber des Terrornetzwerks hatten konspirative Verständigung der Gruppe untereinander verlangt. Das scheiterte daran, dass die Ermittler von Anfang an mithörten. 65 Beamte waren rund um die Uhr im Einsatz, Telefone und Wohnungen waren verwanzt. Was da zu hören war, klang äußerst beunruhigend. Von einer Bombe mit Metallteilen war die Rede, einem Sprengsatz also, dessen umherfliegende Splitter sehr viele Menschen töten oder furchtbar verletzen können. Als denkbare „weiche Ziele“ wurden ein Bus oder eine Haltestelle im Raum Düsseldorf genannt; die Gruppe spionierte obendrein die Sicherheitsvorkehrungen an öffentlichen Gebäuden aus und interessierte sich für öffentliche Veranstaltungen. Einen konkreten Ort und Zeitpunkt hatte die Gruppe aber laut Ziercke bisher nicht festgelegt.

Tatsächlich war das Trio wohl noch nicht so weit. In einer Düsseldorfer Wohnung, berichtet Bundesanwalt Griesbaum, hatten sie angefangen mit Grillanzündern mit der Chemikalie Hexamin zu experimentieren. Die ist Bestandteil eines Sprengstoffs, der seit dem Zweiten Weltkrieg bekannt ist. Als die Überwacher mitbekamen, dass Gruppenmitglieder von einem „Zünder für eine Bombe“ sprachen, gab Zierckes Behörde den Zugriff frei. 108 Beamte waren am Freitagmorgen in Düsseldorf, Bochum und Essen im Einsatz. Die Verdächtigen ließen sich ohne Gegenwehr ergreifen.

Der Zugriff war Ergebnis eines schwierigen Abwägungsprozesses. Die Gruppe weiter zu beobachten, hätte den Behörden weitere Beweise und zudem Hinweise auf weitere Mitglieder ihres Netzwerks geben können; Ziercke spricht von „mindestens sieben bis acht Personen“. Andererseits schien der Bombenanschlag auf das Café in Marokko in der zurückliegenden Woche die Islamisten zu inspirieren; zugleich wurden die Vorbereitungen konkreter. „Bombe ist nicht so schwer, aber Zünder ist mehr Gefahr“, zitierte der BKA-Chef aus den Abhörprotokollen: „Gibts einen Feuerkopf und dann ist die große Kraft.“

In dieser „Dilemmasituation“, so Ziercke, habe man sich entschlossen, das Trio lieber sofort aus dem Verkehr zu ziehen. Für Entwarnung gebe der Fahndungserfolg keinen Anlass: Das BKA wisse von 80 Islamisten in Deutschland, die zur Ausbildung in Terror-Camps gewesen seien, was zeige, „dass wir es wirklich mit einem Problem zu tun haben“.

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