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Politik: Blair bildet sein Kabinett radikal um

Labour verliert bei den Kommunalwahlen – und die Konservativen erzielen ihr bestes Ergebnis seit 1992

Mit der radikalsten Kabinettsumbildung seiner neun Amtsjahre hat der britische Premierminister Tony Blair versucht, die Schlappe seiner Labour-Partei bei den Kommunalwahlen wieder wettzumachen. Blairs Autorität ist durch mehrere Skandale um Kabinettsmitglieder angeschlagen. Mit der Umbildung unterstreicht er auch, dass er mitten in der Krise nicht kampflos das Feld räumen will.

Blairs Kabinett wird auf zentralen Positionen umgebildet: Alte „Schlachtrösser“ wie Außenminister Jack Straw, der in die Kritik geratene Innenminister Charles Clarke und der durch eine Sexaffäre desavouierte Vizepremier John Prescott wurden ausgewechselt oder entlassen. Die bisherige Umweltministerin Margaret Beckett wird für ihre solide Arbeit mit dem Außenministerium belohnt. Sie verdiente sich zuletzt bei den Neuverhandlungen über das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz internationale Anerkennung. John Reid, noch kein Jahr Verteidigungsminister, übernimmt das schwierige Innenministerium.

„Diese Kabinettsumbildung nützt nichts. Die Parteiführung muss umgebildet werden“, schimpfte die Labour-Abgeordnete Glenda Jackson. Die Blair-Gegnerin forderte, das Präsidium der Labour-Partei müsse sich nun einschalten und eine „würdige Amtsübergabe“ in die Wege leiten. Sie dachte dabei an Schatzkanzler Gordon Brown. Doch der Rivale Blairs, der als Einziger wirklich eine Revolte von Hinterbänklern anführen könnte, fiel am Freitag durch Schweigen auf. Er sei nicht konsultiert worden, sagte er säuerlich in der BBC.

Die rebellische Unruhe in der Labour-Partei wuchs, als am Freitagmorgen die Ergebnisse der englischen Kommunalwahlen bekannt wurden. Es war Labours schlechtestes Abschneiden seit 30 Jahren – mit dem Verlust von mehr als 250 Sitzen in Kommunen landesweit und einem Stimmenanteil, der mit 26 Prozent sogar noch hinter den Liberaldemokraten lag. In alten Labour-Hochburgen wie der ehemaligen Ford-Autostadt Dagenham stellt die rechtsextreme BNP nun mit elf Gemeinderäten die stärkste Oppositionspartei – ein Zeichen, wie die Labour-Partei ihre Rolle als Vertreter der Arbeiterklasse verloren hat.

Furcht jagt Labour aber die Stärkung der Konservativen unter ihrem neuen Chef David Cameron ein. In London regiert Labour nur noch in vier der 32 Bezirke. Bei Labours Amtsantritt im Jahr 1997 war noch praktisch die ganze Stadt „rot“ gewesen. Die Konservativen konsolidieren sich zudem im Süden Englands. Als Nächstes werden sie wohl die Labour-Traditionsgebiete in Nordengland in Angriff nehmen. Mit einem Stimmenanteil von 40 Prozent und ihrem besten Wahlergebnis seit 1992 sind sie klare Wahlsieger. Wären am Donnerstag Unterhauswahlen gewesen, hätten sie Computerprojektionen zufolge eine Mehrheit von zehn Sitzen gewonnen.

Die politische Sensation der Kabinettsumbildung ist unterdessen der Rückzug von Charles Clarke. Als Innenminister stand er zwei Wochen lang wegen Fehlern bei der Abschiebung ausländischer Straftäter unter dem Beschuss der Medien. „Die Unruhe der Öffentlichkeit darüber bedeutet, dass er nicht in diesem Amt weitermachen kann“, erklärte Blair. Clarke übte an dieser Einschätzung in der BBC offen Kritik. Er sehe sich weiter als Verbündeten Blairs, sagte Clarke zwar. Doch das Angebot eines anderen Kabinettspostens – unbestätigten Berichten zufolge das Außenministerium – schlug er aus.

Unterdessen spekulierten Beobachter darüber, warum der bisherige Außenminister Jack Straw auf den Posten des Labour-Fraktionschefs wechselt. Möglicherweise will Blair mit dem Schritt etwas Distanz zu seiner Irakpolitik, vielleicht sogar den USA, signalisieren. Trotzdem bleibt Straw ein wichtiger Mann. Als Labour-Fraktionschef steht er nun im Brennpunkt kommender parlamentarischer Schlachten: Blairs von Hinterbänklern eisern bekämpftes Schulgesetz kehrt bald zur dritten Lesung ins Plenum zurück und könnte das Terrain für einen letzten großen Showdown bieten. „Wir werden dem Gesetz das Herz ausreißen“, kündigte einer der Labour-Rebellen bereits an.

Nach Blairs Kabinettsumbildung wird die bisherige Umweltministerin Margaret Beckett Großbritanniens Chefdiplomatin – eine überraschende Rochade. Beckett folgt dem bisherigen Außenminister

Jack Straw nach,

der auf den Posten des Labour-Fraktionschefs rückt – ein wichtiges Amt angesichts der zahlreichen innerparteilichen Fehden.

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