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Politik: „Blair wird das überleben“

Die Expertin Heather Grabbe über die Zukunft des britischen Premiers

HEATHER GRABBE

ist stellvertretende Direktorin des Londoner „Centre for European Reform“. Das Zentrum behandelt die Zukunft der EU und das Verhältnis zu den USA.

Foto: R/D

Der britische Premier Tony Blair hat sich zwischen alle Stühle gesetzt: Sein Kompromissvorschlag in der IrakKrise findet nicht nur bei Frankreichs Präsident Jacques Chirac keine Gnade, sondern stößt auch bei US-Präsident George W. Bush auf kein Gehör. Was bedeutet das für Blairs Popularität in Großbritannien?

Die Ablehnung macht das Leben für Blair noch schwieriger, als es schon ist. Denn in der Vergangenheit konnte Blair noch sagen: Wir stehen mit den USA zusammen. Nun ist der diplomatische Luftballon zerplatzt, und Blair ist gleich doppelt getroffen: Die Kriegsgegner in Großbritannien fühlen sich weiter in ihrer Meinung bestätigt, dass ihr Premierminister auf einen Krieg erpicht ist. Andererseits steht Blair düpiert da: Die Amerikaner können mit seinem Angebot, eine Liste mit konkreten Abrüstungsauflagen zu erarbeiten, gar nichts anfangen.

Beschädigt die Irak-Krise das Verhältnis zwischen Blair und dem Rest der EU auf lange Sicht?

Blair ist der pro-europäischste Premierminister, den Großbritannien in über 20 Jahren erlebt hat. Blair ist fest davon überzeugt, dass Großbritanniens Platz im Herzen Europas ist. Für ihn ist es deshalb sehr schmerzhaft, entgegen seiner Überzeugung zu handeln. Die Irak-Krise hat persönliche Differenzen in den Vordergrund gebracht. Chirac und Blair haben sich nie besonders gut verstanden. Aber für eine lange Zeit war das schlechte persönliche Verhältnis zwischen den beiden nicht ausschlaggebend, weil es genügend politische Gemeinsamkeiten gab. Das ist jetzt viel schwieriger geworden. Die Irak-Krise hat auch Chirac unter Druck gesetzt, weil viele Experten in Frankreich glauben, dass Paris mit der Veto-Drohung seinen langfristigen nationalen Interessen zuwiderhandelt. In der Folge reagiert Chirac immer häufiger emotional und handelt auf eigene Faust. Die persönlichen Beziehungen zwischen Blair und Chirac sind nun so schlecht, dass es lange Zeit dauern wird, bis sie wieder gekittet sind.

Kann Blair US-Präsident Bush noch überzeugen, den diplomatischen Weg weiter fortzusetzen?

Wenn Blair es nicht kann, kann es niemand.

Würde der britische Regierungschef tatsächlich auch ohne eine zweite Resolution der Vereinten Nationen in einen Krieg gegen den Irak ziehen?

Er hat gesagt, dass er das tun wird. Damit soll vor allem Frankreich davon überzeugt werden, der britischen Linie zu folgen. Aber er geht ein hohes Risiko ein. Ein Krieg ohne UN-Mandat könnte das Ende für den Premierminister Blair bedeuten.

Ist Tony Blair in drei Monaten noch Regierungschef oder verliert er in der Zwischenzeit sein Amt?

Ich denke, dass er überleben wird. Aber viel wird davon abhängen, wie der Krieg verläuft. Wenn der Krieg kurz ist, wenn er erfolgreich verläuft und wenn es nicht viele Opfer gibt, könnte Blair am Ende gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Wenn der Krieg schlecht verläuft, dann könnte ihm seine eigene Partei den Garaus machen.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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