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© EPA

Blick über die Grenze: Europas Sozialdemokraten werden bedrängt von rechts und links

Großbritannien, Schweden, Frankreich – auch die europäischen Schwestern der SPD sind in der Krise. Europas Sozialdemokraten mussten in den letzten zehn Jahren in vielen Ländern Verluste hinnehmen.

Berlin - „Happy New Labour“ – so begrüßten sich die Menschen auf den Straßen von London am Morgen des 2. Mai 1997. Der Wahlsieg des britischen Labour-Vorsitzenden Tony Blair war erst wenige Stunden alt, und die Aufbruchstimmung im ganzen Land war deutlich spürbar. Es war auch der Beginn eines Höhenflugs der europäischen Sozialdemokratie. Heute, mehr als zwölf Jahre später, steckt nicht nur die SPD in der Krise. Sozialdemokratische Parteien in zahlreichen europäischen Ländern mussten in diesem Jahrzehnt empfindliche Einbußen hinnehmen. Auch in anderen EU-Staaten kennt man zwei Phänomene, die den deutschen Sozialdemokraten zu schaffen machen: Konkurrenz von Parteien am linken Rand des politischen Spektrums und ein harter Verdrängungswettbewerb in der Mitte. Das dortige Terrain wird den Sozialdemokraten immer häufiger von Konservativen streitig gemacht, die mit einer möglichst moderaten Politik auf Wählerfang gehen.

Das Paradebeispiel eines Konservativen, der einer sozialdemokratischen Partei das Wasser abzugraben versucht, ist David Cameron. Der Brite, der 2005 den Vorsitz der Konservativen übernahm, verpasste seiner Partei zunächst ein gefälligeres Image – grün und liberal sollten die Tories nach seinem Willen sein. Die Finanzkrise, die Cameron zu einem Strategiewechsel zwang, scheint seiner Beliebtheit bei den Briten keinen Abbruch zu tun: Auch wenn der Oppositionschef das Land inzwischen auf einen harten Sparkurs einschwört, gilt er als Favorit für die Unterhauswahlen in einem halben Jahr. Cameron profitiert dabei auch von der unvermeidlichen Abnutzung der Labour Party, die demnächst nach einem guten Jahrzehnt an der Macht wieder mit der Oppositionsrolle rechnen muss.

Damit droht dem derzeitigen britischen Regierungschef Gordon Brown dasselbe Schicksal wie dem Sozialdemokraten Göran Persson. Der Schwede Persson wurde vor drei Jahren durch den Konservativen Fredrik Reinfeldt als Ministerpräsident abgelöst. Die Wahl zum schwedischen Reichstag im September 2006 wurde für die Sozialdemokraten, deren Reformpolitik vor allem mit dem Namen des 1986 ermordeten Ministerpräsidenten Olof Palme verbunden ist, zu einem Desaster; sie mussten mit einem Stimmenanteil von 35 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1914 hinnehmen.

Wie in anderen europäischen Ländern kam Reinfeldt in Schweden das Auseinanderstreben der traditionellen sozialdemokratischen Milieus zugute. Zudem konnte der Herausforderer viele sozialdemokratische Wechselwähler mit dem Versprechen auf seine Seite ziehen, er wolle den schwedischen Wohlfahrtsstaat erhalten.

Auch wenn die Sozialdemokraten in Stockholm vor drei Jahren den Gang in die Opposition antreten mussten, haben sie nach wie vor eine starke Stellung im schwedischen Parteiensystem – bei der Europawahl im Juni wurden sie stärkste Kraft im Königreich. Viel trauriger ist das Bild, das Frankreichs Sozialisten seit Beginn dieses Jahrzehnts bieten. Die Partei, die von 1981 bis 1995 den Staatschef stellte, kann heute kaum noch von der Ära Mitterrand zehren. Bei der Europawahl mussten die Sozialisten eine verheerende Niederlage einstecken: Die im Koordinatensystem der europäischen Sozialdemokratie weit links stehende Partei landete gerade einmal bei 16,5 Prozent – elf Prozentpunkte hinter Nicolas Sarkozys Regierungspartei UMP. Das schwache Abschneiden kam nicht von ungefähr – schließlich wirkt der Streit, den die Partei 2005 um die EU-Verfassung austrug, bei den Sozialisten bis heute nach. Sie bieten ein Bild der Zerrissenheit, nicht zuletzt wegen der Rivalität zwischen der zur Mitte tendierenden Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal und der zum linken Lager gehörenden Parteichefin Martine Aubry.

Ähnlich wie die SPD haben auch Martine Aubrys Sozialisten mit der Abwanderung von Wählern nach Linksaußen zu kämpfen. Und deren Potenzial auf der Linken scheint im Nachbarland ähnlich groß wie in Deutschland: Bei der Europawahl kamen Linksradikale, Kommunisten und Linke in Frankreich insgesamt auf mehr als zwölf Prozent.

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