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Seit 1. März ist der Deutsche Martin Selmayr Generalsekretär der EU-Kommission.

© Virginia Mayo/dpa

Blitzbeförderung in Brüssel: Kritik im EU-Parlament an Berufung Selmayrs

Im EU-Parlament verteidigt EU-Kommissar Günther Oettinger die Blitzbeförderung des Deutschen Martin Selmayr zum Generalsekretär der EU-Kommission - selbst im Lager der CDU-Abgeordneten gibt es Skepsis.

Die Berufung des Deutschen Martin Selmayr zum höchsten EU-Kommissionsbeamten hat am Montag zu einer Kontroverse im EU-Parlament geführt. Der SPD-Abgeordnete Arndt Kohn sprach in einer Plenumsdebatte in Straßburg davon, dass bei der Beförderung Selmayrs zum Generalsekretär der EU-Kommission „Regularien bis aufs Äußerste gedehnt“ worden seien. Dies sei „Wasser auf die Mühlen der Europakritiker“, sagte er. Dagegen erklärte die CDU-Abgeordnete Ingeborg Grässle, dass die Befähigung Selmayrs für den Posten des Generalsekretärs der Kommission außer Frage stehe. "Den Rest werden wir klären im Haushaltskontrollausschuss", sagte sie. Der von Grässle geleitete Ausschuss will sich demnächst mit der umstrittenen Beförderung Selmayrs befassen.

Selmayr ist seit 1. März als Generalsekretär der EU-Kommission der oberste Chef der rund 32.000 Beamten in der Brüsseler Behörde. Zuvor war er drei Jahre lang Kabinettschef von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gewesen. Juncker, dessen Amtszeit als EU-Kommissionschef am 31. Oktober 2019 endet, hatte Selmayrs Berufung Ende Februar vor Journalisten in Brüssel verkündet. Zuvor hatte das Kommissarskollegium die Berufung des 47-Jährigen auf den Brüsseler Chefposten abgenickt. Während der Kommissionssitzung gab es eine Art Blitzbeförderung für Selmayr: Zunächst wurde er auf den Posten des stellvertretenden Generalsekretärs berufen. Wenige Minuten später wurde seine Berufung zum Generalsekretär durch Juncker vom Kommissarskollegium gebilligt.

In der Debatte in Straßburg verteidigte der für Personalfragen zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) die Beförderung des 47-jährigen Deutschen. Die Berufung Selmayrs sei vom Kollegium der EU-Kommission „einvernehmlich gebilligt worden“, sagte Oettinger. Selmayr verfüge „über alle notwendigen Qualifikationen“ für das Amt des Generalsekretärs der EU-Kommission und weise langjährige Erfahrungen in Schlüsselfunktionen der Brüsseler Behörde auf, sagte er.

CDU-Abgeordneter Langen spricht von "Zweifel am Verfahren"

Aber Oettingers Argumentation stößt selbst im CDU-Lager auf Skepsis. So erklärte der CDU-Abgeordnete Werner Langen am Montag, es gebe "Zweifel am Verfahren". Zudem fehle Selmayr als bisherigem Kabinettschef von Juncker die Erfahrung in der normalen Beamtenlaufbahn. Die umstrittene Benennung zum Generalsekretär stelle eine unangemessene Machtübernahme in der EU dar, "wenn man so will durch die Hintertür", sagte Langen.

Offenbar war außer Juncker und dem für Personalfragen zuständigen EU-Haushaltskommissar Oettinger vor der Kommissionssitzung Ende Februar, bei der ein ganzes Paket von Berufungen an der Spitze der Brüsseler Behörde beschlossen wurde, keines des insgesamt 28 Mitglieder des Kommissarskollegium in die bevorstehende Berufung Selmayrs zum Generalsekretär eingeweiht worden. Irritationen derweil löste seinerzeit der Umstand aus, dass Selmayr auf den Posten des 61-jährigen bisherigen Amtsinhabers Alexander Italianer rückte. Offenbar war man in der EU-Kommission bis zu diesen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass Italianer noch länger im Amt bleiben würde. Juncker, in dessen Hand die Berufung des Generalsekretärs liegt, erklärte hingegen zur allgemeinen Überraschung, dass Italianer ihm bereits 2015 angekündigt habe, dass er im März 2018 in den Ruhestand gehen wolle. Dies habe er als Kommissionspräsident aber anschließend für sich behalten, erklärte Juncker.

Wortgefecht im Brüsseler Pressesaal

Besonders detailliert hat sich in den vergangenen Wochen der französische Journalist Jean Quatremer mit der Blitzbeförderung Selmayrs beschäftigt. Nach der Ernennung des Deutschen hatte der Brüsseler Korrespondent der Pariser Zeitung „Libération“ in seiner Berichterstattung darauf hingewiesen, dass neben dem Posten des Generalsekretärs in der EU-Kommission bereits weitere Brüsseler Schaltstellen von Deutschen besetzt werden.

So agiert Klaus Welle als Generalsekretär des EU-Parlaments, während Helga Schmid Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) ist. In der Debatte in Straßburg erklärte hingegen Oettinger, dass in Deutschland durchaus die Frage gestellt werde, ob es gerecht sei, wenn Deutschland trotz seiner Größe lediglich Anspruch auf eines der insgesamt 28 Kommissionsmitglieder habe.

Zudem hatte Quatremer Selmayr als „Schattenmann“ und den eigentlichen Chef der EU-Kommission bezeichnet. Jüngst kam es im Brüsseler Pressesaal zu einem Wortgefecht zwischen Quatremer und dem Kommissionssprecher Alexander Winterstein, der den französischen Journalisten als „Robespierre“ bezeichnete.

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