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Blitzbesuch: Guttenberg überraschend nach Kundus gereist

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist am Morgen gemeinsam mit Verteidigungsexperten des Bundestages zu einem überraschenden Blitzbesuch in Afghanistan eingetroffen. Er will mit den Soldaten vor Ort sprechen und kündigte erneut eine schnelle und unbürokratische Entschädigung der Angehörigen der zivilen Opfer des Luftangriffs von Kundus an.

Die Reise Guttenbergs wurde bis zur Ankunft aus Sicherheitsgründen geheim gehalten. Guttenberg wird von Obleuten der Bundestagsfraktionen begleitet - Journalisten sind nicht in der Delegation. Der Minister will mit Soldaten über den von einem deutschen Oberst befohlenen Luftangriff am 4. September nahe des Feldlagers und die Folgen sprechen.

Bei der Bombardierung waren nach Nato-Angaben bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden, darunter viele Zivilisten. Guttenberg hatte den Angriff am 6. November nach Auswertung der Nato-Untersuchung zunächst als militärisch angemessen bezeichnet. In der vorigen Woche korrigierte er diese Bewertung. Die Bombardierung sei nicht militärisch angemessen gewesen, urteilte Guttenberg nach der Durchsicht weiterer Berichte, die ihm nach eigenen Angaben bei seiner ersten Bewertung nicht vorgelegen hatten. Inhaltlich hat er seine Kehrtwende noch nicht begründet.

Guttenberg will den Soldaten dem Vernehmen nach nun erklären, warum er den Luftangriff inzwischen für einen militärischen Fehler hält. An den Gesprächen sollen auch die Obleute teilnehmen. Die Opposition hatte den CSU-Politiker in den vergangenen Tagen massiv unter Druck gesetzt, die Gründe für seine Neubewertung offenzulegen.

Guttenberg kündigte erneut eine schnelle und unbürokratische Entschädigung der Angehörigen der zivilen Opfer des Luftangriffs in Afghanistan an. Durch die Bombardierung zweier von Taliban gekaperter Tanklaster sei Zivilisten "fürchterliches Leid" widerfahren, sagte er in einem Interview der ARD, das kurz vor seinem Abflug nach Afghanistan aufgezeichnet worden war.

Der Verteidigungsminister sagte, Wiedergutmachung sei ein unzutreffendes Wort. Den Tod von Zivilisten werde man "nie wieder gutmachen können". Er versprach aber zügige und der afghanischen Kultur gerecht werdende Gespräche über die Entschädigung. Die Verhandlungen würden keinen "langen Weg in Deutschland" gehen. Guttenberg betonte zugleich, mit seinem Besuch in Kundus wolle er die Botschaft senden, dass er als Verteidigungsminister und auch der Großteil der Bevölkerung hinter den Soldaten und dem Einsatz in Afghanistan stehe.

Zuvor hatte Guttenberg im ZDF mehr Rechtssicherheit für die Truppe in Afghanistan angemahnt. Er halte es für einen untragbaren Zustand, dass Soldaten bei ihren Handlungen stets im Hinterkopf haben müssten, ob diese möglicherweise für das deutsche Straf- oder das Polizeirecht relevant seien oder ob sie völkerrechtlich betrachtet würden, sagte der Minister am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner".

Die Linke pochte noch am Donnerstag darauf, den zuständigen Obleuten im Bundestag sofort und nicht erst im geplanten Untersuchungsausschuss zu der Kundus-Affäre weitere Informationen zu geben. Ähnliche Forderungen kamen von den Grünen und der SPD. Der Untersuchungsausschuss konstituiert sich am 16. Dezember. Die Opposition befürchtet, dass der Öffentlichkeit Informationen vorenthalten werden, da das Gremium in der Regel vertraulich tagen wird.

Guttenberg sagte im ZDF: "Dieser Fall bedarf dringend der Aufklärung." Er sicherte erneut Offenheit zu und bezeichnete den Untersuchungsausschuss als "sehr sinnvoll". Ferner räumte er erneut Fehler bei der Bewertung des Angriffs ein, betonte aber zugleich, dass er am 4. September, dem Tag des Angriffs, noch nicht im Amt war. Ausdrücklich stellte er sich erneut hinter den für den Angriff verantwortlichen Oberst. Dieser habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

Zur Debatte über einen Bericht des Internationalen Roten Kreuzes, in dem laut "Stern" von 74 Toten die Rede ist und die Attacke als völkerrechtswidrig eingestuft worden sein soll, sagte Guttenberg: "Meine Lesart (des Berichts) war die, dass es nicht völkerrechtskonform gewesen sein könnte." Wie der Angriff juristisch zu bewerten sei, müsse nun von der deutschen Justiz geklärt werden. Die Bundesanwaltschaft prüft, ob gegen den Oberst ein Verfahren eingeleitet wird. (smz/dpa/ddp/AFP)

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