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Politik: Bloß nicht auffallen

Die Grünen sind trotz ihrer Gewinne bedrückt und stehen zur SPD – doch die ersten setzen sich Richtung Union ab

Von Hans Monath

Der ungebetene Ratschlag kam diesmal wenigstens nicht aus der eigenen Führungsriege: Die Grünen dürften sich nicht in „Nibelungentreue an den großen Partner SPD kuscheln“, nur weil einige ihrer Machtpolitiker das verlangten, wetterte am Montag der Ex-Abgeordnete und Haushaltsexperte Oswald Metzger aus seiner schwäbischen Heimat. Nur wenn die Grünen als Konzeptpartei auftreten und sich auch für schwarz-grüne Koalitionen öffnen würden, könnten sie auf Dauer eigenständiges Profil behaupten, warnte er.

Mit seinem Plädoyer für Schwarz-Grün reagierte Metzger auf die Strategie der Parteispitze nach den Landtagswahlen. Zwar hatten die Grünen in Hessen und Niedersachsen zugelegt und wie nebenbei die lang andauernde Serie von Verlusten bei Landtagswahlen gestoppt. Doch ihre Führung wirkte angesichts des absehbaren SPD-Desasters etwas gedrückt. Dabei bemühen sich die Grünen seit Sonntagabend nicht etwa darum, sich von den geschlagenen Sozialdemokraten abzusetzen. Vielmehr demonstrieren sie in auffällig ähnlichen Formulierungen den Schulterschluss mit dem Koalitionsparter. Weil der nun einsetzende Klärungsprozess zwischen Reformern und Beharrern in der Volkspartei von außen ohnehin kaum zu beeinflussen sei, dürfe man die waidwunden Genossen nun nicht noch durch Rechthaberei und Pochen auf eigene Reformverdienste reizen, lautete die Devise.

Auch nach der Sitzung des Parteirats am Montag blieb Grünen-Bundesvorsitzende Angelika Beer dieser Linie treu: „Die Profilierung auf dem Rücken des Koalitionspartners ist nicht Bestandteil unserer Überlegungen.“ Zumindest verbal reagierte Beer offensiv auf die Tatsache, dass wegen der Zusammenarbeit von SPD und Union den Grünen ein Bedeutungsverlust in der Bundesregierung droht. Die Union fordere von Rot-Grün Reformen, „ohne auch nur zu umreißen, welche Reformen sie denn wollen“, kritisierte die Politikerin und forderte die konservativen Parteien auf, ihre eigenen Vorstellungen klar zu machen: „Wir sind gespannt, mit welchem Konzept die Union nun kommt.“ Einer Debatte über Schwarz-Grün erteilte sie eine klare Absage: Die sei „vollkommen überflüssig“. Vehement attackierte die Parteichefin die Taktik der Union im Kampf um Änderungen am Zuwanderungsgesetz. Grünen-Strategen hoffen, dass in einer informellen großen Koalition die Union der SPD Zugeständnisse abzwingt, auf die man selbst bisher vergeblich gedrungen hat – etwa bei Reformen des Arbeitsmarktes oder der Steuergesetzgebung. Allerdings stellen sich führende Grüne darauf ein, dass eine großkoalitionäre Einigung in der Zuwanderungsfrage nur auf Kosten der eigenen Partei zu haben ist. Parteichefin Beer warf Angela Merkel und Edmund Stoiber denn auch vor, sie verfolgten eine „reaktionäre Politik“, für die es in der Republik keine Mehrheit gebe.

Mit Ratschlägen an die SPD hielten sich die meisten Grünen-Spitzenpolitiker am Montag zurück. Die stellvertretende Fraktionschefin Thea Dückert allerdings forderte öffentlich, was bei den Grünen intern als unumgänglich gilt: „Auch die SPD braucht den Mut zu Zumutungen“ und müsse in der Sozialpolitik „mehr Eigenverantwortung, mehr Eigenbeteiligung“ wagen, sagte die Niedersächsin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Und sie habe keinerlei Verständnis dafür, „dass Teile der SPD jetzt Sehnsucht nach Oskar Lafontaine bekommen“.

In der sich abzeichnenden informellen großen Koalition von SPD und Union könnten die Grünen mit ihrem derzeitigen Kurs nur verlieren, warnte Oswald Metzger. „Wenn Clement mit der Union verhandelt, kellnern die Grünen nicht einmal mehr“, sagte der Schwabe in Anspielung auf ein Bonmot von Gerhard Schröder über die Arbeitsteilung der Koalitionspartner: „Dann sammeln sie nur noch die Brosamen auf.“ Mit seinen Warnungen vor allzu viel Rücksichtnahme auf die SPD blieb Metzger in seiner Partei am Montag allerdings alleine.

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