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Politik: Bloß nicht festlegen

Die FDP wackelte vor der Wahl – jetzt hagelt es Kritik von der Union

Von Robert Birnbaum

Berlin - Edmund Stoiber sieht sich an eine schmerzliche Erfahrung erinnert. „Wie bereits bei der Bundestagswahl 2002“ sei jetzt auch in Schleswig-Holstein der Machtwechsel am unerwartet schwachen Abschneiden der FDP gescheitert. Und er glaubt auch sagen zu können, woran es diesmal lag: „Jedes Wackeln und Zwischengeräusche verunsichern potenzielle FDP-Wähler.“ Bei der FDP dürfte der CSU-Chef an diesem Tag ein paar heimliche Anhänger haben.

Denn Stoiber hat nur ausgesprochen, was beim Wundenlecken der Liberalen-Spitze am Montag im Berliner Thomas-Dehler-Haus etliche still für sich denken und ein paar andere halb offen ansprechen. Wolfgang Kubicki, FDP-Spitzenkandidat im hohen Norden, hat fast den ganzen Wahlkampf hindurch fest zur CDU gestanden und dann plötzlich wenige Tage vor der Wahl angefangen, der SPD Avancen zu machen. Dass das der Theorie entsprach, die sein verstorbener Freund Möllemann der FDP immer gepredigt hat – nicht festlegen und dadurch Stimmen von beiden Seiten einheimsen –, macht die Sache nicht besser.

Guido Westerwelle will dazu nichts sagen. Der FDP-Chef will überhaupt nicht über die Ursachen dafür reden, dass die FDP von den acht Prozent, die ihr Demoskopen noch vorige Woche gaben, auf 6,6 Prozent abgesackt sind. „Ich könnte, aber ich will nicht“, bürstet er hartnäckige Frager ab. Nun muss man wissen, dass ihn Kubicki – der in Kiel blieb und sich in Berlin nicht sehen ließ – vorher gebeten hat, keine Rückschau zu halten. Überdies weiß Westerwelle selbst, dass interne Querelen das Letzte sind, was die FDP drei Monate vor der nächsten, viel wichtigeren Wahl in seiner nordrhein-westfälischen Heimat gebrauchen kann. Also vermerkt Westerwelle nur, dass es „natürlich nicht gut“ sei, wenn man Stimmen verliere, sucht aber ansonsten im Schlechten nur das Gute: Zweitbestes Ergebnis seit 30 Jahren, nach dem besten 2000, das aber auf dem Höhepunkt der Kohl-Affäre und damals auf Kosten der CDU zustande kam, Gelb vor Grün, Schwarz-Gelb vor Rot-Grün – was man eben so sagt zur eigenen Aufmunterung.

Da ist sogar Jürgen Koppelin deutlicher, der FDP-Landeschef in Kiel. Er könne den Freunden in NRW nur raten, nicht auf Umfragen und Zeitungskommentare zu hören: „Ziehen Sie einfach durch, was Sie für richtig halten.“ Intern im Präsidium hat Koppelin geklagt, er sei „am Boden zerstört“ über das Ergebnis.

Kubicki verwahrt sich prompt gegen „Legendenbildung“. Wobei es für ihn ganz praktisch ist, dass er sich dabei auf Stoiber stürzen kann. Der Bayer müsse grad daherreden! Wenn der als Kanzlerkandidat damals „im Norden und den restlichen 80 Prozent der Republik nicht so miserabel abgeschnitten“ hätte, wäre der Machtwechsel im Bund gelungen.

Dass er in Schleswig-Holstein nicht geklappt hat, will die FDP übrigens noch gar nicht glauben. An 149 Stimmen habe es gehangen, hat Westerwelle ausrechnen lassen. „Wir erwarten, dass neu ausgezählt wird!“ Aber der Landeswahlleiter beziffert den Abstand zur Macht mit 745 Stimmen. Zu viel für einen Wahlkrimi à la USA – kein Florida an der Förde.

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