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Politik: Blutige Freiheit oder Grabesruhe

In Weißrussland wird heute gewählt. Das Ergebnis steht fest.

In Weißrussland wird heute gewählt. Das Ergebnis steht fest. Diktator Lukaschenko siegt. Regimekritiker werden verprügelt, ins Gefängnis gesteckt oder ermordet. So ähnlich waren die Machtverhältnisse in Saddams Irak und in Afghanistan, nur war das Leid noch größer. 2002 griffen die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan ein, vor drei Jahren im Irak. Sie stürzten die Diktatur, besetzten das Land und versuchen Demokratie und Freiheit voranzubringen.

Weißrussland, Irak, Afghanistan – womit kann die Welt besser leben: mit der stabilen Friedhofsruhe einer Diktatur oder einer chaotischen und blutigen Demokratisierung? Eine eindeutige Antwort fällt schwer. Es hängt von der Perspektive ab. Die Bilder, die sich, zum Beispiel, Deutsche, US-Republikaner oder die Betroffenen machen, sind grundverschieden. Man darf wohl sagen: Weißrussland bereitet den meisten Deutschen keine schlaflosen Nächte. Ebenso wenig wie der Irak unter Saddam, der mehr als hunderttausend Menschen ins Gefängnis stecken, ermorden oder an Unterversorgung sterben ließ. Wie Lukaschenko heute war Saddam ein Schandfleck für die Welt und eine Gefahr für sein Volk, aber keine Bedrohung für den Westen. Den Krieg hielten die meisten Deutschen für falsch, seine Massenvernichtungswaffen für eine Lüge. Die Lage heute empfinden sie als bedrohlich: Irak am Rande zum Bürgerkrieg, der Nachbar Iran kann ungehindert an der Bombe basteln. Der Westen hat mit Afghanistan und Irak beide Hände voll zu tun. War die Welt nicht besser dran mit Saddam „in the box“: an der Macht, aber von allen Seiten eingedämmt?

Afghanistan sehen die Deutschen wohlwollender. Die Taliban waren eine Bedrohung, dort standen die Ausbildungslager von Al Qaida. Also unterstützte Deutschland die Intervention und hilft bei der Stabilisierung. Nur: So viel besser als im Irak ist weder die Lage, noch sind es die Aussichten. Regelmäßig kommen bei Anschlägen westliche Soldaten und Zivilisten um, Warlords kontrollieren weite Gegenden, der Drogenanbau floriert. Von Einheit und Kontrolle durch die Zentralregierung ist Afghanistan weit entfernt. Immerhin gibt es freie Wahlen und eine Verfassung. Geht es den meisten Bürgern trotz aller Unsicherheit nicht besser als unter der Diktatur?

Alle diese Argumente gelten aus Sicht der Bush-Wähler freilich auch für Irak. Und die Betroffenen? In Umfragen sagen klare Mehrheiten in Afghanistan und im Irak, sie seien froh über den Sturz der Diktatur, sie unterstützen den Wandel und fühlen sich freier als zuvor. Sie sind freilich enttäuscht, dass es so langsam vorangeht, zornig auf den Widerstand und kritisieren die Fehler der Besatzungsmächte.

Es gibt kein Patentrezept, was besser ist: Regime change per Militärintervention oder geduldiges Warten, dass eine friedliche Unterstützung eines Tages Demokratie und Freiheit bringt. Zwingende Erfolgsbeweise fehlen für beide Ansätze. In Deutschland und Japan gelang die Demokratisierung aus Kriegsruinen vor 60 Jahren, wo aber sind neuere Vorbilder? Friedlicher Wandel durch Kombination von Lockmitteln und Sanktionen funktionierte 1989 in Ostmitteleuropa, blieb aber im Irak und jetzt in Weißrussland über viele Jahre erfolglos. Die Kosten der Friedhofsruhe bezahlen die unterdrückten Menschen, nicht der Westen. Wer aber eingreift, muss für die Folgen gerade stehen. Das begrenzt die Gefahr wie die Chance weiterer Interventionen.

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