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Politik: Blutiges Opferfest

In Bagdad herrscht zum islamischen Festtag große Angst – die sonst übervollen Straßen sind wie leer gefegt

Während im Norden des Irak Selbstmordattentäter am Sonntag viele Menschen mit in den Tod rissen, war die Stimmung in Bagdad schon in den vergangenen Tagen äußerst angespannt gewesen. Von Vorfreude auf das islamische Opferfest Eid al-Adha, einen der höchsten muslimischen Feiertage, war wenig zu spüren. Zu lebendig waren noch die Erinnerungen an den blutigen Auftakt zum Ramadan im vergangenen Oktober, als der islamische Fastenmonat mit einer Serie von Selbstmordattentaten gegen das Rote Kreuz und mehrere Polizeistationen in Bagdad begann. „Alle rechnen damit, dass etwas Großes passiert“, sagte der Supermarktverkäufer Sami Hussein am Vorabend des Festes, „das spürt man in der ganzen Stadt.“

Bereits abends um acht waren die Straßen leer, lediglich US-Militärkonvois rasten mit hoher Geschwindigkeit durch das Zentrum und verbreiteten mit den Infrarotstrahlen ihrer Nachtsichtgeräte eine Atmosphäre wie im Action-Thriller. Durch den Hinweis, man sei auf „jeden Ausbruch von Gewalt“ vorbereitet, trug das US-Militär seinen Teil zur Nervosität der Bevölkerung bei. Am Samstagabend gegen halb zehn Uhr schien sich die Befürchtung dann zu bewahrheiten: Das Geräusch von Mörsergranaten erschütterte die Stadt. Wie sich später herausstellte, explodierten die Geschosse, deren Herkunft bislang ungeklärt ist, im Viertel Baladiyat, einem vorwiegend von palästinensischen Flüchtlingen bewohnten Viertel von Bagdad. Fünf Tote waren dort die traurige Bilanz am Vorabend des großen Feiertags, an dem Muslime die Gabe von Abrahams Opferlamm an Gott zelebrieren.

Auch am Sonntagmorgen waren die Straßen von Bagdad wie leer gefegt. Nur wenige Privatfahrzeuge ließen sich auf den sonst notorisch überfüllten Straßen der Hauptstadt sehen. Die Besuche bei Freunden und Verwandten, die eigentlich üblich sind an einem Tag wie Eid al-Adha, haben viele Menschen offenbar auf die unmittelbare Nachbarschaft beschränkt.

Die Anschläge im Nordirak, in dem hauptsächlich Kurden leben, fallen indes in eine Phase, in der im Land heftig über die Form des künftigen irakischen Staats diskutiert und scharfe Kritik an den politischen Konzepten der Kurden geübt wird. Der von der Mehrheit der Kurden angestrebte Föderalismus mit einer weit reichenden Selbstständigkeit des kurdischen Gebiets im Norden trifft im restlichen Land auf wenig Zustimmung. Als bei einer Podiumsdiskussion zur Zukunft der Demokratie in Bagdad kürzlich das kurdische Regierungsratsmitglied Mahmud Osman ein Plädoyer für den föderalen Staat hielt, verlor einer der Zuhörer, Scheich Yussuf aus Sadr-Stadt, die Beherrschung. „Wir wollen keinen Föderalismus“, schrie er quer durch den Saal. „Du bist ein Missionar und wirst von den Amerikanern bezahlt, um die Einheit des Irak zu zerstören.“

Susanne Fischer[Bagdad]

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