zum Hauptinhalt
Evo Morales.

© Reuters

Bolivien: Ölpreis entfacht Protestfeuer

Chaos im öffentlichen Nahverkehr, streikende Busfahrer, blockierte Straßen, Demonstrationen – früher stand Evo Morales selbst an der Spitze solcher Proteste. Doch nun spürt Boliviens Präsident selbst Gegenwind.

Puebla - Diesmal richten sich die Proteste gegen Morales' Regierung und die von ihm dekretierte Erhöhung der Benzinpreise um durchschnittlich 80 Prozent. Den Protesten der Busunternehmer, Bergarbeiter und Bürgergruppen folgten willkürliche Erhöhungen der Bustarife und Kritik der Passagiere. Darauf wurden die Preise für Grundnahrungsmittel um 15 bis 18 Prozent erhöht. Die Banken konnten sich jedoch kaum vor besorgten Kunden retten, die ihre Konten räumen wollten – aus Angst vor Währungsmanipulationen oder dem Einfrieren ihrer Sparguthaben.

Angesichts der sich gefährlich hochschaukelnden Spirale des Unmuts verkündete der bolivianische Staatschef am Mittwoch Lohnerhöhungen. Gleichzeitig rechtfertigte Morales die Preiserhöhungen. Sie seien notwendig geworden, da Bolivien nicht genügend Treibstoff produziere und der Staat jedes Jahr 150 Millionen Dollar verliere, weil der subventionierte und damit billigere Treibstoff in die Nachbarländer geschmuggelt werde. „Das ist eine schwierige Entscheidung für mich, aber damit schütze ich unsere Wirtschaft“, sagte Morales.

Die Gehälter der Polizisten, Soldaten, Lehrer und des Gesundheitspersonals werden laut Morales nun um 20 Prozent erhöht, die übrigen Staatsangestellten erhalten doppeltes Weihnachtsgeld. Gleichzeitig werden Infrastrukturprogramme aufgelegt, wie der Anschluss von Gemeinden ans öffentliche Wassernetz, und die Tarife für Strom, Telekommunikation und Wasserversorgung eingefroren. Mit den zusätzlichen Einnahmen sollen außerdem Sozialprogramme für die Ärmsten finanziert werden. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 95 US-Dollar im Monat – halb so viel wie in Peru und viermal weniger als im benachbarten Argentinien, wo das Benzin in etwa gleich viel kostet.

Der Gewerkschaftsdachverband COB – gespalten in einen regierungsnahen und einen kritischen Flügel – sah zunächst von einem Generalstreik ab. Die Gefahr für Morales ist aber nicht gebannt: Busunternehmer und andere Gruppen hielten an ihrem Ausstand am Donnerstag fest. Sie waren erbost, weil sie die Fahrpreise um hundert Prozent erhöhen wollen – die Regierung hatte aber nur 30 Prozent genehmigt.

Für die bürgerliche Opposition ist die Benzinpreiserhöhung das Resultat einer verfehlten Energiepolitik und der Verstaatlichung von 2006. In den letzten vier Jahren unter Morales sei die Treibstoffproduktion auf 4500 Fass täglich gesunken, weil die Regierung einen Einheitspreis von 27 US-Dollar festgelegt habe, während auf dem Weltmarkt derzeit bis zu 90 Dollar gezahlt würden. Von den 27 Dollar wurden nach Angaben des staatlichen Erdölkonzerns YPFB nochmals 17 für diverse Steuern und Abgaben fällig. Mit den verbleibenden zehn Dollar könnten kaum die Kosten gedeckt werden – weshalb kein Anreiz bestehe, die Produktion hochzufahren. Bolivien benötigt täglich 35 000 Fass. Das fehlende Erdöl wird vor allem aus Venezuela importiert. Sandra Weiß

Sandra Weiß

Zur Startseite