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Assad-Anhänger bekunden ihre Sympathie für Wladimir Putin in Damaskus.

© dpa

Bombardements in Syrien: Russland verstärkt die Flüchtlingskrise

Wladimir Putins Intervention in Syrien vertreibt noch mehr Menschen aus ihrer Heimat. Richtet sich das direkt gegen den Westen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die erste Illusion über seine Absichten in Syrien hat Wladimir Putin den Europäern früh genommen: dass er dort interveniere, um gemeinsam mit dem Westen den Islamischen Staat (IS) zu bekämpfen. Tatsächlich beschoss seine Luftwaffe in erster Linie andere Rebellen, weil die seinem Schützling Baschar al Assad viel gefährlicher wurden als der IS. Ihre Widerstandszentren Homs und Hama liegen weiter westlich als das IS-Gebiet. Putin agiert in Syrien als Gegner des Westens. Europa strebt die Ablösung Assads durch gemäßigte Oppositionelle an, Putin dagegen möchte ihn mit Gewalt an der Macht halten.

Die Schwächung Europas spielt dem Kreml in die Hände

Angesichts der Entwicklung muss Europa sich auch von der zweiten Hoffnung verabschieden: dass die russische Intervention den Flüchtlingsstrom mildern werde. Darin sehen die Ideologen des Kreml nicht mal ein Ziel, wie Alexander Dugin, ein wichtiger Vordenker, kürzlich verkündete. Die Schwächung Europas durch „das Migrantenproblem (…) spielt uns in die Hände“. Die EU bewege sich auf einen Kollaps zu.

Nun wäre es übertrieben, daraus zu schließen, Putins Hauptziel in Syrien sei es, Europa Schaden zuzufügen. Das Hauptziel ist, Russlands Flotten- und Luftwaffenstützpunkte in Tartus und Latakia zu retten, seine letzten im Mittelmeer. Da es in Assad die einzige verlässliche Garantie für seine Militärpräsenz sieht, hat Moskau ihn seit Jahrzehnten mit russischen Waffen aufgerüstet. Andere arabische Staaten, die früher mit dem Kreml kooperierten, wollen von Russland nicht mehr viel wissen. Auch in der arabischen Bevölkerung ist Russland unbeliebt, zum Beispiel im Libanon, weil es als Komplize der Mörder des Ex-Premiers Rafiq al Hariri gilt. Putin hat sich auf die Seite der Schiiten und damit des Iran gestellt und sich so den sunnitischen Arabern entfremdet.

Assads Waffen und sein Krieg sind "Made in Russia"

Auch wenn die Schwächung Europas nicht Putins Hauptziel war, nimmt er sie als nützlichen Nebeneffekt hin. Es wirkt wie eine Obsession, wenn die Linkspartei in erster Linie die USA für die syrische Tragödie und das Flüchtlingsleid verantwortlich macht. Diese haben gewiss viele Fehler gemacht – im Irak, in Afghanistan und generell in ihrer Politik im Mittleren Osten. Doch die Katastrophe in Syrien ist nach dem Muster, das deutsche Linke gemeinhin an die US-Politik anlegen, eindeutig „Made in Russia“. Schon vor Putins Intervention flohen die Menschen überwiegend vor Assads Kampfjets und Bomben, also vor russischen Waffen. Seit Russlands Luftwaffe mitbombt, sind die Flüchtlingszahlen weiter gestiegen.

Russlands Machtverständnis: den Westen sabotieren

Russlands Verständnis von Macht gehorcht anderen Gesetzen. Der Westen will geliebt werden; er leitet Einfluss daraus ab, dass er konstruktiv zur Lösung von Konflikten beitragen kann. Russland will nicht geliebt, sondern gefürchtet werden und leitet Macht daraus ab, dass es durch destruktives Handeln Entwicklungen verhindern kann, die seinen Interessen schaden. In besseren Fällen wie den Atomgesprächen mit dem Iran kann der Westen Russland so einbinden, dass es aus Eigeninteresse eine Lösung zulässt. In Syrien hingegen widerspricht alles, was der Westen als Lösung betrachtet – nämlich eine Zukunft ohne IS und ohne Assad – Putins Interessen. Seine Macht reicht nicht, um eigene Lösungen zu erzwingen, doch immer noch, um die Lösungsansätze des Westens zu sabotieren.

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