zum Hauptinhalt

Politik: Bomben im Friedenszug

Mindestens 67 Menschen sterben bei Anschlag auf Express zwischen Indien und Pakistan

Die meisten Passagiere schliefen, als kurz vor Mitternacht nahe dem indischen Ort Panipat, 100 Kilometer nördlich der indischen Hauptstadt Delhi, Brandbomben in zwei Waggons explodierten. Binnen Sekunden verwandelten sich die Abteile in Flammenhöllen. Mindestens 67 Passagiere erstickten oder verbrannten. Bei den meisten Opfern handelt es sich um Pakistaner, aber auch Inder waren im Zug. Weitere Sprengsätze in anderen Waggons konnten entschärft werden. Der auch „Friedens- oder Freundschaftszug“ genannte Schnellzug war von Delhi ins pakistanische Lahore unterwegs. Die Zugverbindung zwischen Delhi und Lahore war 2004 im Rahmen des indisch-pakistanischen Friedensprozesses nach zweijähriger Unterbrechung wiedereröffnet worden.

Die meisten Fenster in den Abteilen waren mit Querstangen vergittert, die Türen aus Sicherheitsgründen verriegelt. Bewohner aus anliegenden Orten eilten zu Hilfe und versuchten, Menschen aus den wenigen unvergitterten Fenstern zu retten. „Ich habe niemals geahnt, dass es die letzte Reise für meine Familie werden sollte“, sagte der Überlebende Tara Chand, der nach einem Verwandtenbesuch in Indien nach Pakistan zurückkehren wollte, der Agentur Reuters. Seine drei Söhne und zwei Töchter blieben im Feuer verschwunden.

Am Bahnhof von Delhi versammelten sich Menschen, die um Angehörige bangten. „Meine Mutter, mein Vater und mein Bruder waren im Zug. Sie wollten zu einer Hochzeit fahren. Ich habe versucht, sie auf ihren Handys zu erreichen. Aber ihre Handys sind tot”, sagte Israel Mohammed unter Tränen. Die Hintergründe für den Anschlag sind unklar. Möglicherweise wollten Islamisten den Friedensprozess zwischen den beiden Atommächten torpedieren. Am Dienstag wird Pakistans Außenminister Khurshid Mahmud Kasuri zu einem Besuch in Indien erwartet. „Die Anschläge sollen die Friedensgespräche zum Entgleisen bringen“, meinte Indiens Bahnminister Lalu Prasad Yadav. Er sprach von einem Terrorakt wie in Bombay. In der westindischen Metropole hatten mutmaßlich muslimische Extremisten am 11. Juli 2006 mit einer Bombenserie in Pendlerzügen 186 Menschen getötet.

Andere Vermutungen gingen dahin, dass es sich auch um das Werk von Hindufanatikern handeln könnte, weil die meisten Opfer Pakistaner und damit Muslime sind. So ereignete sich der Anschlag nur Tage vor dem fünften Jahrestag des Zugfeuers von Godhra im indischen Bundesstaat Gujarat 2002. Damals waren 59 Hindupilger in einem Zugabteil verbrannt. Hindufanatiker hatten daraufhin hunderte Muslime bestialisch ermordet. Der Brand war damals Muslimen angelastet worden. Spätere Untersuchungen legten jedoch nahe, dass das Feuer zufällig ausgebrochen war.

Pakistans Präsident Pervez Musharraf forderte Indien auf, den neuen Terrorakt gründlich zu untersuchen. Zugleich versicherte er, der Anschlag werde die Friedensbemühungen nicht untergraben. Der Samjhauta-Express von Delhi nach Lahore ist eine von nur zwei Bahnlinien, die die beiden Länder verbinden.

Nach langer Eiszeit hatten Indien und Pakistan, die drei Kriege, davon zwei um Kaschmir, führten, Ende 2003 wieder Gespräche aufgenommen. Terroristen versuchen, den Friedensprozess zu sabotieren. Nach den Bombenanschlägen in Bombay hatte Indien die Gespräche mit Pakistan ausgesetzt, aber im November 2006 wieder aufgenommen. Die Führungen beider Länder wissen, dass sie den Terroristen in die Hände spielen, wenn sie den Friedensprozess aufkündigen.

Deutsche Sicherheitskreise halten allerdings die pakistanische Antiterrorpolitik für doppelbödig. Die Taliban und kaschmirische Rebellengruppen wie Lashkar-e-Toiba würden inoffiziell unterstützt. Musharrafs Rolle sei jedoch unklar. Möglicherweise betrieben Fraktionen des pakistanischen Geheimdienstes ISI eine eigene Politik, die der Kontrolle der Regierung entzogen sei.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi], Frank Jans

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false