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Ein Phantombild des vermeintlichen Selbstmord-Attentäters.

© dpa

Bombenanschlag in Burgas: Wer war der Täter?

Nach dem Anschlag auf israelische Touristen im bulgarischen Burgas sind die Behörden bei der Aufklärung des Falles offenbar noch nicht weiter. Interpol bittet nun um Mithilfe.

Vor zwei Wochen kamen bei einer Explosion am bulgarischen Flughafen Burgas fünf israelische Touristen und ein bulgarischer Busfahrer ums Leben. Soweit öffentlich bekannt sind dies bisher die einzigen nachprüfbaren Fakten in dem Fall. Obwohl von einem siebten Todesopfer angeblich DNA-Proben und sogar Fingerabdrücke genommen werden konnten, blieb seine Identität bislang ungeklärt. Selbst ob es sich bei ihm tatsächlich um den langhaarigen Rucksacktouristen handelt, der von einer Überwachungskamera gefilmt und von den Ermittlungsbehörden kurz nach dem Ereignis als Selbstmordattentäter präsentiert wurde, steht schon wieder in Frage. Mitarbeiter der Gerichtsmedizin in Burgas haben den Toten inzwischen untersucht. Die zuständige Pathologin Gilena Milewa sagte, der Mann könnte „arabischer Herkunft“ sein.

Die Mediziner erklärten vor einigen Tagen, dass allein das Gewicht der Beine des Mannes 52 Kilogramm betrage, es also nahe liege, dass er zu Lebzeiten rund 100 Kilogramm gewogen haben könnte. Der Mann, den die Überwachungskameras filmten, dürfte hingegen zwischen 70 und 80 Kilogramm schwer sein. Die internationale Polizeibehörde Interpol im französischen Lyon veröffentlichte am Donnerstag das Phantombild, das die bulgarischen Behörden von dem Mann erstellt hatten. Zudem bat Interpol auf Wunsch der bulgarischen Ermittler seine 190 Mitgliedsländer um Unterstützung.

Bulgariens Innenminister Tsvetan Tsvetanov hat sich in den drei Jahren seiner Amtszeit nicht als jemand erwiesen, der still halten kann, um Ermittlungen nicht zu gefährden. Gerne präsentierte sich Tsvetanov während medial inszenierter Polizeioperationen als oberster Pressesprecher seines Ministeriums, beschrieb detailliert Organisationsgefüge vermeintlicher Verbrecherbanden und ihre kriminellen Taten. Da sich die von ihm öffentlich vorgetragenen „operativen Erkenntnisse“ regelmäßig vor Gericht als ohne Beweiskraft herausstellten, zettelte der gesprächige Minister einen verbalen Kleinkrieg mit der nationalen Richterschaft an. Dieser hat ihm eine Verleumdungsklage eingebracht.

Im Falle des mutmaßlichen Attentats von Burgas jedoch verhält sich Tsvetan Tsvetanov völlig untypisch. Er geht kaum mit Aussagen zum Ermittlungsstand an die Öffentlichkeit, gibt höchstens beiläufig in Interviews Häppchenweise Informationen preis, die oft eher zur weiteren Verwirrung der interessierten Öffentlichkeit beitragen. „Der Verdächtige hat seinen gefälschten Führerschein aus dem US-Bundesstaat Michigan bereits vor fünf Jahren in Plovdiv benutzt“, verriet Tsvetanov zuletzt, ohne weitere Einzelheiten zu verraten. „Wir haben den Aussagen des Ministers entnommen, dass es den bulgarischen Ermittlungsbehörden gelungen ist, eine kooperative Zusammenarbeit mit ihren ausländischen Partnern aufzunehmen“, ätzte der Sozialist Peter Kurumbaschev im Anschluss an eine Ministeranhörung zum Stand der Ermittlungen hinter verschlossenen Türen.

Aufgrund des beredten Schweigens der „kompetenten Behörden“ müssen sich die Bulgaren mit immer neuen medialen Spekulationen über die Identität des Mannes, etwaige Komplizen und mögliche Hintermänner zufrieden geben. Tsvetlin Jovtschev, früherer Chef der Staatlichen Agentur für Nationale Sicherheit (DANS) und seit Jahresbeginn sicherheitspolitischer Berater von Staatspräsident Rossen Plevneliev, hat die allgemeine Ahnungslosigkeit im Bulgarischen Nationalen Fernsehen (BNT) auf den Punkt gebracht: „Wir alle bauen im Moment unsere Annahmen auf Basis der Hypothesen, die in den Medien erscheinen. Das ist völlig ungenügend.“

„Ich verstehe nicht, warum ein Phantombild veröffentlicht wurde, das so gut wie jedem ähnlich sieht, aber nicht die Fotos, die ich bei der Autopsie gemacht habe und die von ihrer Qualität sogar als Passbilder taugen“, kritisierte der Gerichtsmediziner in Burgas Kossio Jankov vor einer Woche die Ermittlungsbehörden. Am Freitagvormittag kündigte Minister Tsvetanov daraufhin an, es würden Fotos gemacht und in den kommenden Tagen veröffentlicht. Noch am selben Abend aber kam ihm das als bulgarisches Pendant zu Wikileaks bekannte Webportal Bivol.bg zuvor und publizierte die von Doktor Jankov gemachten Fotos des vermeintlichen Täters.

Israel hatte unverzüglich dem Iran und der mit ihm verbündeten Schiiten-Organisation Hisbollah im Libanon vorgeworfen, hinter dem Attentat zu stecken. Das bisherige Unvermögen der bulgarischen Behörden, Hintergründe des Unglücks zumindest etwas aufzuhellen, führt nun zwangsläufig zu vermehrten Spekulationen. (mit AFP/dpa)

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