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© AFP

Bosnien-Herzegowina: Kein Land in Sicht

Mit diplomatischen Rückschlägen hat die internationale Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina schon einige Erfahrung gesammelt. Das Land leidet unter der Schwäche des Gesamtstaats – USA und EU wollen das ändern.

Seit Ende des Bosnienkrieges, also seit 14 Jahren, mühen sich Vermittler, dem Balkanstaat zu mehr Stabilität zu verhelfen. Doch die Versuche sind bislang ins Leere gelaufen. Bosnien-Herzegowina besteht aus zwei Landesteilen – einem serbischen und einer muslimisch-kroatischen. Eine Stärkung des Zentralstaats, wie sie von der internationalen Gemeinschaft gewünscht wird, scheint heute weniger denn je in Sicht. In dieser verfahrenen Situation unternehmen die USA und die EU in der kommenden Woche in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo einen neuen Anlauf zur Konfliktlösung.

Dass der Versuch fehlschlagen könnte, ist allen Beteiligten bewusst. Vor allem der Regierungschef der serbischen Landeshälfte von Bosnien-Herzegowina, Milorad Dodik, hat vor dem Treffen am kommenden Dienstag klargemacht, dass er von den Vorschlägen der USA und der EU nicht viel hält. In der Vergangenheit hatte Dodik immer wieder damit gedroht, ein Referendum über die Unabhängigkeit des serbischen Landesteils abzuhalten. Von dieser Forderung rückte Dodik am vergangenen Dienstag bei Beratungen mit US- und EU-Experten nicht ab – im Gegenteil. Im Anschluss an die Gespräche verlangte der serbische Politiker, dass die Verfassung künftig Referenden sowohl im serbischen als auch muslimisch-kroatischen Landesteil erlauben soll. Beobachter sehen in dieser Forderung einen weiteren Schritt Dodiks auf dem Weg zur Loslösung der „Serbischen Republik“ vom Rest des Landes.

In ihren Vermittlungsversuchen wollen Washington und Brüssel hingegen auf Verfassungsänderungen hinarbeiten, die der lähmenden Selbstblockade des Landes ein Ende setzen soll. Nach dem Wunsch der USA und der EU müssen sowohl Serben, Kroaten als auch Muslime Zugeständnisse machen. Die Bemühungen wecken Erinnerungen an die Konferenz im amerikanischen Dayton im Jahr 1995. Damals wurde hastig ein Abkommen zusammengezimmert, das zwar den dreijährigen Bosnienkrieg beendete, aber bis heute nicht als Lebensgrundlage für das in die EU und die Nato strebende Land taugt. Die Erwartungen, die die USA und die EU an die gegenwärtigen Bosnien-Gespräche geknüpft haben, sind hoch – das dokumentiert zumindest deren Beiname „Dayton II“. Am Dienstag wollen US-Vizeaußenminister James Steinberg, Schwedens Chefdiplomat Carl Bildt und EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn im Sarajevoer Vorort Butmir erörtern, ob sich die Positionen unter den zerstrittenen Völkern und Parteien in Bosnien-Herzegowina seit dem letzten Treffen am 9. Oktober angenähert haben.

Dass Bosnien-Herzegowina und seine seinerzeit mit dem Dayton-Abkommen geschaffenen Institutionen riesigen Reformbedarf haben, ist unbestritten. Das Land mit seinen rund vier Millionen Einwohnern verfügt über einen gewaltigen Verwaltungsapparat mit drei Präsidenten, drei Parlamenten und Hunderten von Ministern. Dabei halten sich Serben, Kroaten und Muslime gegenseitig in Schach. Während eine Mehrheit im muslimisch- kroatischen Landesteil eine Stärkung des Gesamtstaates befürwortet, setzen sich Politiker der „Serbischen Republik“ für eine weitgehende Autonomie der Landesteile ein. Immerhin ließ Dodik, der Regierungschef des serbischen Landesteils, in einem Punkt Gesprächsbereitschaft erkennen: Den Reformvorschlag, die drei Präsidenten des Landes künftig durch ein einziges Staatsoberhaupt zu ersetzen, bezeichnete er als akzeptabel.

Dennoch ist ein Erfolg der „Dayton II“- Gespräche alles andere als ausgemacht. Sie „wünschen, hoffen und glauben“, dass die Verhandlungen in der kommenden Woche nicht fehlschlagen, schreiben die drei ehemaligen internationalen Bosnienbeauftragten Paddy Ashdown, Wolfgang Petritsch und Christian Schwarz-Schilling in einer gemeinsamen Erklärung. Aus ihrer Sicht kann es ohne grundlegende Verfassungsänderungen keine politische Bewegung in dem Balkanstaat geben: „Blockademechanismen, die durch destruktive Handhabung des Friedensvertrages von Dayton manifestiert wurden und dem Interesse aller Bürgerinnen und Bürger zuwiderlaufen, müssen überwunden werden.“ Dabei fordern sie eine Einschränkung der Vetomöglichkeiten in den beiden Parlamentskammern des Gesamtstaats. „In enger Zusammenarbeit mit den USA sollte Europa finanzielle, strukturelle und organisatorische Unterstützung leisten, um einen finalen, erfolgreichen Reformprozess zu ermöglichen“, schreiben die drei ehemaligen Bosnienbeauftragten.

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