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Politik: Bosniens Vater

Alija Izetbegovic setzte sich bis zu seinem Tod für eine Versöhnung auf dem Balkan ein

Vom Krankenbett aus hatte der frühere bosnische Präsident Alija Izetbegovic noch einmal zur Versöhnung aufgerufen. Serben, Kroaten und Moslems sollten ihrer nationalen Identität treu bleiben, aber alle Bosnier sein, sagte Izetbegovic dem Fernsehsender Hayat vor wenigen Wochen. Izetbegovic sei im Krieg die Stimme Bosnien-Herzegowinas gewesen und habe für dessen Überleben gekämpft, würdigte Nato-Generalsekretär George Robertson den Verstorbenen. EUChefdiplomat Javier Solana erklärte, Izetbegovic habe einen entscheidenden Beitrag geleistet, um den Boden für ein friedliches und demokratisches Bosnien-Herzegowina zu bereiten. Der frühere Präsident und Führer der bosnischen Moslems war am Sonntag im Alter von 78 Jahren gestorben. Am Mittwoch ist das Begräbnis in Sarajevo geplant.

Wegen schwerer Gesundheitsprobleme hatte der herzkranke Politiker seine Ämter schon vor zwei Jahren niedergelegt. Anfang September hatte er sich bei einem Sturz vier Rippen gebrochen. Im Krankenhaus kam es zu inneren Blutungen, die zum Tod führten.

Izetbegovic wurde 1925 in Bosanski Samac nahe der Grenze zu Kroatien geboren und wuchs in Sarajevo auf. 1990 gründete der Jurist seine Partei der Demokratischen Aktion (SDA), die im gleichen Jahr bei den ersten freien Wahlen den Sieg davontrug und Izetbegovic den Vorsitz im Staatspräsidium einbrachte. Nach der Unabhängigkeitserklärung und dem Ausbruch des Bosnien-Krieges 1992 verstand sich Izetbegovic als Präsident von ganz Bosnien-Herzegowina, obwohl sein Einfluss über die von der Regierungsarmee kontrollierten Gebiete nicht hinausreichte.

Ende 1995 gehörte er neben den anderen „Kriegs-Präsidenten", dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic und dem bereits verstorbenen kroatischen Staatschef Franjo Tudjman, zu den Unterzeichnern des Dayton-Abkommens, das die Grundlage für den Staat Bosnien-Herzegowina schuf.

Gemma Pörzgen[Belgrad]

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