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AfD-Chef Bernd Lucke am Sonntagabend am Rande der Wahlparty in Bremen

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Brandbrief von Bernd Lucke: AfD: Querulanten, Intriganten, Parteifeinde

Die AfD sei in einer schweren Krise, meint ihr Vorsitzender Bernd Lucke. Mitten in der Bremer Wahlnacht schreibt er eine lange E-Mail an die Mitglieder. Sein Rivale Alexander Gauland schießt zurück.

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Es ist wahrscheinlich gerade noch einmal gut gegangen für die AfD bei der Wahl in Bremen. Knapp hat es die Partei wohl in die Bürgerschaft geschafft. Der Parteivorsitzende Bernd Lucke, der am Sonntag in Bremen war, indes konnte alles andere als zufrieden sein. Es war noch nicht zu Ende ausgezählt, da machten Gerüchte die Runde, er werde demnächst zurücktreten, gar die AfD verlassen und eine neue Partei gründen. Befeuert hat diese Gerüchte sein Ko-Chef und innerparteilicher Widersacher Konrad Adam. "Ich frage ihn nun", sagte Adam am Abend an die Adresse von Lucke, "ob er bei der Zerstörung der Partei auch vorangehen will. Das hoffe ich nicht."

Lucke erklärte zunächst, er werde zu Gerüchten nichts sagen. "Schwachsinn, das kommentiere ich gar nicht erst", sagte er. Doch dann ließ ihm die Sache keine Ruhe. Noch in der Nacht verfasste er eine lange, eine sehr lange E-Mail an die Mitgliedschaft seiner Partei, drückte um 3.54 auf den Sendeknopf. Von Rücktritt war darin keine Rede, im Gegenteil. "Ich war sehr überrascht, die Nachricht meines eigenen Ablebens lesen zu müssen", schrieb Lucke. Dies umso mehr, als sich Adam bei ihm vorab nicht nach dem Wahrheitsgehalt des Gerüchts erkundigt habe.

"An dem Gerücht ist lediglich wahr, dass ich mir große Sorgen um die AfD mache", heißt es weiter in der E-Mail von Lucke. Um dann wiederum direkt abzurechnen mit seinen Kontrahenten. "Zu diesen Sorgen zählt, dass ein von mir geschätzter Mann wie Herr Dr. Adam mit falschen Freunden an der falschen Front kämpft."

Auch einem weiteren Spitzenfunktionär gibt Lucke kontra, dem brandenburgischen Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland, Vizechef der Bundespartei. Dessen Konzept, nicht auf das Bürgertum zu setzen, weil die AfD die Partei der kleinen Leute sei, halte er für falsch. "Ich kann vor dieser Strategie nur eindringlich warnen. Wer die AfD zu einer Partei der ,kleinen Leute' machen will, zerstört die AfD, in der ,bürgerliche' Mitglieder einen ganz wesentlichen Teil der Mitgliedschaft ausmachen."

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Lucke klingt nach monatelangen Querelen ernüchtert, auch verzweifelt. Seine Analyse zum Zustand der AfD ist vernichtend. Vor allem die "unterirdische" Diskussionskultur prangert er an. In einigen der Allgemeinheit nicht zugänglichen Facebookgruppen, in Netzwerken Gleichgesinnter, würden Mehrheiten organisiert, um Vorstände zu stürzen, würden "in teilweise unsäglicher Art völlig abwegige Gerüchte geschürt, politische Rülpser bejubelt oder missliebige Parteifunktionäre geschmäht". Der Parteichef verlangt, "mit dem Mut zur Wahrheit über Zersetzungsprozesse im Inneren der Partei" zu sprechen. "In dieser Form können wir nicht weitermachen. (...) Es gibt Spannungen und Probleme in der Partei, die ein Umsteuern erfordern, sonst scheitert die Partei."

Konkret erwähnt Lucke eine Gruppe in der Partei - er sieht sie zwar in der Minderheit, aber besonders lautstark -, die entgegen der programmatischen AfD-Beschlusslage die wesentlichen gesellschaftlichen Grundentscheidungen der Bundesrepublik in Frage stelle. Sie äußere sich in den unterschiedlichsten Akzentsetzungen neutralistisch, deutschnational, antiislamistisch, zuwanderungsfeindlich, teilweise auch antikapitalistisch, antiamerikanisch oder antietatistisch. Zudem beobachtet der Parteichef "Karrieristen, Querulanten und Intriganten", die in der AfD die "trefflichsten Gelegenheiten der Selbstverwirklichung" suchen würden.

Alexander Gauland: So ist das eben mit Professoren

Brandenburgs AfD-Chef Alexander Gauland widerspricht der Einschätzung von Lucke, wonach die verschiedenen Strömungen in der AfD "unvereinbar" seien. Er sei vielmehr davon überzeugt, dass beide Flügel ohne einander nicht existieren könnten, sagte Gauland dem Tagesspiegel. Der marktwirtschaftlich-liberale Ansatz - für den Lucke und Hans-Olaf Henkel stünden -  und der nationalkonservative - mit Vertretern wie ihm selbst und den beiden AfD-Sprechern Adam und Frauke Petry - bräuchten einander, um erfolgreich zu sein und eine "echte Systemalternative zur herrschenden Politik" zu bieten.

"Wir können keinen Landtagswahlkampf mit einem reinen Anti-Euro-Kurs gewinnen", sagte Gauland mit Blick auf Luckes Kritik, die Partei entferne sich von der bürgerlichen Mitte. Da sei es nötig, "Themen anzusprechen, die auch die kleinen Leute bewegen und in Deutschland nahezu Tabuthemen sind: Zuwanderung, Kriminalität an der Grenze zu Polen oder steigende Einbruchszahlen". Dass solche Themen Lucke nicht am Herzen lägen, sei bekannt. "So ist das eben mit Professoren", sagte Gauland.  "Es wird der Partei aber schaden, wenn die eine Seite versucht, die andere herauszudrängen."

Für die AfD war der Wahlerfolg in Bremen der fünfte in Folge bei einer Landtagswahl. Im vergangenen Jahr war die Partei mit Resultaten zwischen 9,7 und 12,2 Prozent in die Landtage von Sachsen, Thüringen und Brandenburg eingezogen. Im Februar in Hamburg dann schnitt sie mit 6,1 Prozent längst nicht mehr so gut ab.

Vor der Wahl in Bremen hatte es heftige Auseinandersetzungen um die Abgrenzung nach rechts gegeben - aus Sicht von Lucke mit der Folge, dass es deshalb nur so knapp gereicht hat: "Wir selbst haben es den Bremer Parteifreunden so schwierig gemacht wie nur möglich." Besonders der thüringische Vorsitzende Björn Höcke provozierte vorab mit seiner Bemerkung, wonach nicht jedes Mitglied der NPD extremistisch sei. Lucke forderte ihn deshalb zum Rücktritt auf. Auch hier ist Gauland nicht auf der Linie des Vorsitzenden. Auch der Brandenburger distanziert sich zwar von der Aussage Höckes, ausdrücklich aber nicht von dessen Person. Einen Ausschluss des thüringischen Parteivorsitzenden will er nicht.

Was haben Lucke und seine Freunde jetzt vor?

Der AfD-Europaabgeordnete Hans-Olaf Henkel - wichtigster Bündnispartner von Lucke - war Ende April aus dem Bundesvorstand zurückgetreten. Er sagt jetzt: "Mein Rücktritt war der erste Weckruf für die Partei, dieses Schreiben von Bernd Lucke ist der zweite." Trotz Rücktritt von seinem Posten als AfD-Bundesvize will Henkel die Partei weiter in ihrem Kurs prägen. Was das Agieren von AfD-Sprecher Adam anginge, sei er "nur noch sprachlos". Erst habe dieser seinen Rücktritt gefordert, nun wolle er den von Lucke herbeiführen. Es sei gut, dass Lucke sich nun zu den Angriffen verhalte.

Wie es nun weitergeht? Es gibt Hinweise darauf, dass Lucke gemeinsam mit Henkel die große Abrechnung plant. "Spiegel online" berichtet über einen "letzten, verzweifelten Generalangriff" von Lucke auf seine Rivalen im Vorstand, vor allem auf seine Co-Sprecherin Petry und den NRW-Parteivorsitzenden Marcus Pretzell. "Die AfD-Basis muss erfahren, was da an der Spitze gespielt wird", sagt Henkel dazu allgemein. Zu weiteren Plänen, Terminen oder offiziellen Auftritten will der frühere Wirtschaftslenker am Montag nicht äußern. Sicher ist nur der AfD Parteitagstermin am. 13./14. Juni.

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