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Politik: Bremser und Stinkbombenwerfer

Zwischen CDU und CSU kriselt es. Einige Unionspolitiker mahnen, man solle doch besser Rot-Grün bekämpfen

Mit seiner CSU-Schelte hat Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz (CDU) den Dauerkonflikt zwischen den Unions-Schwesterparteien belebt: Wer treibt die Reformen voran und wer bremst? Da ist es kaum verwunderlich, dass sich prompt Horst Seehofer (CSU) zu Wort meldet, ebenfalls stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Merz’ Kritik sei ein „merkwürdiger Vorgang“, sagte Seehofer der „Welt“. Dabei verweist er auf die gemeinsame Präsidiumssitzung von CDU und CSU im März, bei der CSU-Vorschläge für die Arbeitsmarktpolitik „im Beisein von Merz durch die CDU gestoppt worden“ seien.

Merz hatte am Wochenende CSU-Chef Edmund Stoiber vorgeworfen, sich zwar daheim in Bayern durchaus reformfreudig zu zeigen, aber dafür in der Bundespolitik auf der Bremse zu stehen. Der CDU-Fraktionschef von Mecklenburg-Vorpommern, Eckhardt Rehberg, legte nach. Gegenüber dem CDU-Reformkurs „hinkt die CSU an vielen Stellen hinterher“, sagte er der „Berliner Zeitung“. Die CDU sei mit ihren Erkenntnissen und Positionen mehrere Schritte weiter. Saar-Ministerpräsident Peter Müller hatte der bayerischen Schwesterpartei vorgeworfen, sie erhebe „völlig zu Unrecht den Alleinvertretungsanspruch in Fragen der sozialen Gerechtigkeit“.

Vom Profilierungsstreit sind nicht alle begeistert. „Wir hätten Besseres zu tun, als Stinkbomben in die eigenen Reihen zu werfen“, sagt Hermann-Josef Arentz, Mitglied im CDU-Präsidium, dem Tagesspiegel mit Blick auf die Merz-Äußerungen. Der Chef der CDU-Sozialausschüsse ärgert sich über den vermeintlichen Gegensatz von Reformfreudigkeit und sozialer Gerechtigkeit, den er „falsch“ findet. Reformen müssten zugleich Wachstum schaffen und sozial ausgewogen sein, sagt Arentz. Nicht zuletzt die Regionalwahlen in Frankreich hätten gezeigt, dass überall in Europa die gleiche Gefühlslage herrsche: „Reformen, bei denen nur noch unkontrollierte Marktkräfte wirken, werden als menschenfeindlich angesehen.“

Seehofer, aber auch CSU-Chef Stoiber hatten es der CDU in den vergangenen Monaten nicht immer einfach gemacht, sich im Streit um die Sozialreformen ebenso als soziale Volkspartei zu profilieren wie die CSU. In den Sachfragen sind sie noch weit auseinander: angefangen bei der Gesundheits- und der Pflegeversicherungs- bis zur Rentenreform. Während die CDU sich im Gesundheitswesen für einen Umstieg auf die einkommensunabhängige Kopfpauschale stark macht, hält die CSU am einkommensabhängigen Beitragssystem fest. Während Stoiber und Seehofer mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund über Reformen im Gesundheitswesen sprechen, greift die CDU mit ihrem Konzept eher Arbeitgeberpositionen auf.

Sozialexperte Seehofer bekämpft die Kopfpauschalen vehement, sein Urteil fällt dabei sogar schärfer aus als die Kritik aus dem rot-grünen Regierungslager. Seehofer fährt dabei eine Doppelstrategie: Zum einen kritisiert er die Kopfpauschalen als „unsozial“, weil die Krankenschwester den gleichen Beitrag zahlen müsse wie der Chefarzt. Gleichzeitig versucht er, die Reformkonzepte mit Zahlen zu torpedieren. Der CDU rechnet er detailliert vor, warum aus seiner Sicht deren gesamtes Reformpaket nicht finanzierbar sei. „Es reicht ja nicht, wenn man neu denkt, sondern man muss auch sehen, ob das Neue finanzierbar ist“, sagt Seehofer. Die Gesamtkosten für das CDU-Konzept beziffert er auf über 100 Milliarden Euro: rund zehn Milliarden Euro für die Steuerreform, 40 Milliarden Euro für die Gesundheit, 18,6 Milliarden Euro für die geforderte Kindergelderhöhung, 22 Milliarden Euro für eine veränderte Anrechnung der Kindererziehungszeiten bei der Rente sowie zwölf Milliarden Euro für eine Mindestrente. Mit falschen Zahlen würde Seehofer operieren, kritisiert Unions-Fraktionsgeschäftsführer Volker Kauder (CDU). Dies sei „nicht in Ordnung“.

Der CDU-Abgeordnete Karl-Josef Laumann, der dem Arbeitnehmerlager der CDU zuzurechnen ist, will die Debatte innerhalb der Union am liebsten in andere Bahnen lenken: „Bei dem Streit, ob CDU oder CSU stärker auf die Bremse tritt, gerät leicht außer Acht, dass die Reformbremse in Deutschland Rot-Grün heißt“, schimpft Laumann.

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