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Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf einer Archivaufnahme.

© dpa

Update

Brisantes Erdogan-Papier: De Maizière kantet gegen Auswärtiges Amt zurück

Nachdem die Außenamtssprecherin sich von der Türkeieinschätzung des Innenministeriums distanzierte, hat letzteres scharf reagiert. Hat ein Beamter das Chaos angerichtet, um den Türkei-Kurs der Regierung zu unterminieren?

Von Andreas Oswald

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat die Einstufung der Türkei als "zentrale Aktionsplattform" für Islamisten im Nahen Osten verteidigt. "Da ist nichts zu bereuen", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in einem Interview des rbb-Fernsehens auf die Frage, ob er das Papier bereue. "Das, was dort vertraulich dargestellt wurde, ist eine pointierte Darstellung eines Teilaspekts türkischer Wirklichkeit." Die Realität in der Türkei und die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Regierung in Ankara gingen darüber hinaus, sagte de Maiziere.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), hatte bereits zuvor die Weitergabe brisanter Einschätzungen zur Türkei durch die Bundesregierung verteidigt. "Wenn die Bundesregierung Informationen von einer nachgeordneten Behörde hat, dann muss sie diese Informationen selbstverständlich zur Verfügung stellen, wenn eine Abgeordnete danach fragt", sagte Schröder am Mittwoch dem Sender rbb. "Dann kann ich nicht einfach Informationen unterdrücken, wie das Auswärtige Amt das offensichtlich möchte", sagte er in der "Tagesschau".

Damit kantete das Bundesinnenministerium (BMI) gegen das Auswärtige Amt zurück. Dessen Vizesprecherin, Sawsan Chebli, hatte sich zuvor von den Aussagen des Bundesinnenministeriums über die Türkei distanziert. Diese "machen wir uns als Auswärtiges Amt in dieser Pauschalität nicht zu eigen", sagte Sawsan Chebli in der Bundespressekonferenz.

Das Bundesinnenministerium von Thomas de Maizière (CDU) hatte bei seiner Einschätzung der Türkei das Außenministerium von Frank-Walter Steinmeier (SPD) übergangen.

De Maizières Staatssekretär Schröder setzte im rbb noch einen drauf. Er verwies auf die Informationspflicht. "Selbst wenn es innerhalb der Bundesregierung zu Kenntnisnahmen des Auswärtigen Amts gekommen wäre, hätte es an dieser Tatsache nichts geändert."

Seibert betont die engen Beziehungen zur Türkei

Hintergrund ist eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen. In der vertraulichen Antwort der Bundesregierung, die unter Umgehung des Auswärtigen Amts vom Innenministerium formuliert wurde, wird der Türkei und ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen, aktiv radikale Islamisten und sogar Terror-Gruppen zu unterstützen. Demnach ist die Türkei zu einer "zentralen Aktionsplattform" für Islamisten im Nahen Osten geworden. Die Angaben gehen auf Einschätzungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) zurück.

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte in der Bundespressekonferenz die engen Beziehungen zur Türkei, die "aus unserer Sicht ein Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat" sei. Auch für ein Abrücken vom Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei gebe es keinen Anlass.

Das Bundesinnenministerium hatte das Übergehen des Auswärtigen Amts mit einem "Büroversehen" eines Sachbearbeiters entschuldigt. Ob es sich tatsächlich um ein "Büroversehen" handelte, war von Anfang an unklar, vor allem jetzt nach der scharfen Replik Schröders.

Die Frage ist, ob irgendwelche Beamte, sei es im Bundesinnenministerium, oder gar im Bundeskanzleramt - das den Bundesnachrichtendienst kontrolliert, der die Informationen an das BMI weitergab - den umstrittenen Kurs der Bundesregierung gegenüber der Türkei unterminieren wollten.

Konsequenzen aus den Vorwürfen gegen die Türkei wegen der Unterstützung von Islamisten forderte nach Politikern der Opposition auch der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl. "Die Unterstützung des Terrors wäre eine eindeutige Überschreitung einer roten Linie", sagte Uhl der "Huffington Post". Auch Sanktionen gegen die Türkei dürften kein Tabu sein. (mit Reuters und AFP)

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