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© AFP

Bronislaw Komorowski: Nach Kaczynskis Tod: Ein Freund der Deutschen springt ein

Polens Interims-Staatschef Bronislaw Komorowski ist ein Freund Deutschlands - und ohnehin Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im Herbst. Allerdings ist Komorowski ein schlechter Wahlkämpfer.

Es ist ein unscheinbares Stück Ziegelmauer am Reichstag, das stellvertretend für den Mann und seine Vision einer Freundschaft von Deutschen und Polen steht: Auf Initiative Bronislaw Komorowskis und seines Freundes und Amtskollegen Norbert Lammert erinnert seit ein paar Monaten ein Ehrenmal mit einer Gedenktafel an die Bedeutung der Solidarnosc für den Fall der Berliner Mauer. Das Mauerstück der Lenin-Werft in Danzig ist genau der Teil, über den der Arbeiterführer Lech Walesa am 14. August 1980 gesprungen war, um den Streik zu organisieren, der zur Gründung der Solidarnosc führte, der ersten unabhängigen Gewerkschaft in einem kommunistischen Land.

Der verstorbene Präsident Lech Kaczynski hätte für derlei Symbolik nichts übrig gehabt. Deutschland war für ihn wie für seinen Bruder Jaroslaw eher ein Instrument zur innenpolitischen Beschwörung von Ängsten als ein Partnerland. Bronislaw Komorowsi verstand dagegen früh, dass populistische Parolen in einem Land auf Dauer nicht verfangen, in dem fast jeder mittelbar oder unmittelbar mit Deutschen zu tun hat. Das liegt auch an der gänzlich anderen Herkunft des 57-jährigen Sejmmarschalls. Geboren als Sohn einer der berühmtesten Familien der Szlachta, des alten polnisch-litauischen Hochadels, wuchs er in kosmopolitisch-liberalen Kreisen der Warschauer Bohème auf. Sein Vater war Diplomat und Afrikaforscher, ein Großonkel ein in Polen berühmter Kommandeur der Heimatarmee im Warschauer Aufstand 1944. Früh schloss er sich der antikommunistischen Opposition an und saß wiederholt im Gefängnis, er war und blieb einer der engen Weggefährten Lech Walesas. Seine Weltgewandtheit und seine Kontakte ins Ausland machten den Historiker zur Idealbesetzung für internationale Regierungsämter – in seiner langen politischen Karriere nach 1989 war er stellvertretender und amtierender Verteidigungsminister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Sejm und schließlich Marschall, wie die Polen das Amt das Parlamentspräsidenten nennen.

Der Tod Lech Kaczynskis hat aus dem Kandidaten für die eigentlich für Herbst vorgesehenen Präsidentschaftswahlen nun einen Interims-Amtsinhaber gemacht, der nun selbst den Termin für die vorgezogene Wahl im Juni verkünden darf. Ob das ein Vorteil oder eine Hypothek für den lange Zeit favorisierten Bewerber ist, hängt vor allem davon ab, ob Lech Kaczynskis Bruder Jaroslaw zur Wahl antreten wird. Als Wahlkämpfer ist der dem stets etwas behäbig wirkenden Komorowski überlegen – zumal Jaroslaw die Wahl zu einer Abstimmung über das Erbe seines in Katyn gestorbenen Bruders machen wird. Angesichts der unvorstellbaren Dramatik der Katastrophe von Smolensk könnte das durchaus verfangen – Verschwörungstheorien über den Tathergang, die zu schüren Jaroslaw ein Meister ist, könnten dazu ihr Übriges tun.

Scheitert Komorowski, hätte das gewaltige Folgen für Polens Innenpolitik der nächsten Jahre. Die Kaczynski-Ära, die längst ihren Höhepunkt überschritten hatte, würde trotz Lechs Tod verlängert. Vor allem aber würde ein zentraler Plan des liberalen Ministerpräsidenten Donald Tusk scheitern: Tusks Lebensziel ist eine Verfassungsreform, die die Kompetenzen des Präsidenten auf ein deutsches Maß zurückschneidet – und lähmenden Protokollrangeleien wie in den vergangenen Jahren etwa in der Frage, wer denn nun das Land nach außen vertritt, ein Ende machen soll. Nur deshalb hatte er auf eine Kandidatur für das höchste Staatsamt verzichtet und seinen Freund Komorowski unterstützt.

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