zum Hauptinhalt

Politik: „Brot, Freiheit, Würde“

Experten warnen davor, den Arabischen Frühling schon für gescheitert zu erklären.

Berlin - Die Hoffnungen waren groß, als im Jahr 2011 die Menschen in der arabischen Welt aufbegehrten. Zweieinhalb Jahre später bestimmen zumindest in den Medien schlimme Nachrichten das Bild der Region. „Pulverfass Naher Osten – wird der Freiheitstraum zum Alptraum?“ hieß deshalb am Montagabend eine gemeinsam von der Freien Universität (FU) Berlin, der Schwarzkopf-Stiftung und dem Tagesspiegel veranstaltete Diskussionsrunde, die FU-Präsident Peter-André Alt eröffnet und Chefredakteur Stephan- Andreas Casdorff moderierte.

Eines einte die vier Experten für die Region aus Wissenschaft, Diplomatie und Politik: Sie wandten sich gegen die Vorstellung, angesichts der vielen Schwierigkeiten sei nun nur noch ein Scheitern der damals eingeleiteten Entwicklung denkbar. Der neue Anspruch, die Geschicke selbst zu bestimmen, werde vielmehr weiter wirken. Gudrun Krämer, Leiterin des FU-Instituts für Islamwissenschaften, ging kritisch mit dem Titel der Debatte ins Gericht, weil das Bild vom Pulverfass die Vorstellung einer Region zementiere. „Ich sehe den Nahen Osten nicht explodieren“, hielt sie dagegen. Europas Geschichte im 20. Jahrhundert sei viel gewalttätiger gewesen als die des Vorderen Orients. Religion sei kein Hindernis für Entwicklung: „Es gibt keinen Grund, warum der Islam eine Hürde bilden sollte.“

Auch Cilja Harders, Chefin der FU-Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients, verwandte viel Mühe darauf, im Westen verbreitete Feindbilder zu dekonstruieren. Es gebe etwa im Hinblick auf Migrationsbewegungen eine „starke Dramatisierung von Ängsten“, sagte die Professorin. Wenn Europa bei der Entwicklung der Region helfen wolle, dürfe es nicht blind sein Freihandelsmodell exportieren, sondern müsse sich öffnen und auch Zugeständnisse machen, die Geld kosteten.

Eine griffige Formel für die Grundforderungen des Protests präsentierte Volkmar Wenzel. Es gehe um „Brot, Freiheit, Würde, in allen arabischen Ländern“, sagte Guido Westerwelles Beauftragter für die arabische Welt. Der frühere deutsche Botschafter in mehreren Staaten der Region forderte, die unterschiedlichen Chancen einzelner Länder zu beachten. „Eher einen Flickenteppich als einen Flächenbrand“ sehe man da, meinte er.

„Es gibt Erfahrungen, die können nicht mehr genommen werden“, sagte auch Rolf Mützenich. Der SPD-Außenpolitiker warb dafür, kompromisswillige Kräften in der Region zu unterstützen. In Syrien hatte der Abgeordnete wie auch der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor Jahren auf einen Dialog mit Assad gesetzt. Er habe damals die Gewaltbereitschaft des Regimes „vollkommen unterschätzt“, sagte er nun. hmt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false