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Familienbande. David Miliband (re.) und sein jüngerer Bruder Ed. Foto: dpa

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Politik: Bruderliebe, Bruderzwist

David und Ed Miliband wollen beide Chef von Labour werden – sie haben bisher eine fast identische Karriere hinter sich

Wie immer war David wieder als erster aus den Startlöchern. „Die Labourpartei braucht jemanden, der nicht nur eine kämpferische Opposition führen, sondern in fünf Jahren auch die Regierung übernehmen kann“, sagte der frühere britische Außenminister David Miliband, als er seine Kandidatur für die Nachfolge von Gordon Brown als Labourparteichef ankündigte. Eigentlich wollte er mit dem Parteiwahlkampf noch an dem Tag beginnen, an dem Brown zurücktrat. Immerhin bereitet er sich seit drei Jahren auf diesen Moment vor. Dafür verzichtete er sogar auf den Job des „EU-Außenministers“. Er musste von Parteifreunden zurückgepfiffen werden, um die Anstandsfrist einzuhalten.

Davids vier Jahre jüngerer Bruder Ed hinkte wieder einmal hinterher. Freunde und Graswurzelaktivisten mussten den ehemaligen Minister für Energie und Umwelt erst zur Kandidatur drängen. „Meinen eigenen Bruder herauszufordern war eine der härtesten Entscheidungen meines Lebens. Er ist mein bester Freund im Leben“, sagte er.

David war Ed auf einem fast identischen Karriereweg stets ein paar Nasenlängen voraus. Beide studierten Politik und Wirtschaft und waren am Oxforder Corpus Christi College. Beide begannen nach dem Studium, für Labour zu arbeiten – David in einem Think Tank, Ed als Redenschreiber der heutigen stellvertretenden Parteichefin. Dann wurde David Berater bei Tony Blair, Ed arbeitete für Gordon Brown. Beide wurden Abgeordnete und später Minister. „David war immer der Erste“, sagt Ed, der gerne selbstironische Witze darüber macht, wie er im Schatten des berühmteren Bruders steht. Ein Gewerkschafter sei einmal atemlos hinter ihm hergerannt: „David, David, es tut mir leid, dass ich dich Ed genannt habe“.

Jetzt versichern sie bei jeder Gelegenheit: „Bruderliebe ist wichtiger als Politik“. „Er ist ein ziemlich begabter Bursche“, beschrieb David den jüngeren Ed. „Er hat unserem Land unheimlich viel zu geben“, so Ed über den älteren David. Als Ed gefragt wurde, ob er „der menschlichere“, kommunikationsfreudigere, irgendwie normalere der Brüder sei, wurde er zornig: „So ein Quatsch. Eins werde ich nie tun, meinen Bruder falsch darstellen.“ Aber als er sagte, er könne die Labourpartei am besten einigen, war es eben doch auch gegen den Bruder gerichtet.

Familienbande sind den Milibands wichtig. Sie wuchsen in einer Intellektuellen-Familie im Londoner Stadtteil Primrose Hill auf, wo nach dem Krieg viele jüdische Emigranten aus ganz Europa Unterschlupf fanden und eine idealistische Denkkultur begründeten, die für Großbritannien eher ungewöhnlich ist. Der Vater, Ralph Miliband war einer der führenden marxistischen Denker seiner Zeit und Mitbegründer der London School of Economics. Er war in Brüssel geboren, wohin seine jüdischen Eltern aus Warschau geflohen waren. Die Mutter stammte aus dem polnischen Tschenstochau und überlebte nur knapp den Holocaust. David lebt heute noch mit seinen zwei adoptierten Kindern und seiner amerikanischen Frau, der Geigerin Louise Shackleton, in dem großen Haus, in dem er aufwuchs. In den siebziger Jahren war es ein Treffpunkt linker Intellektueller.

Was er eigentlich von Beruf sei, wurde David Miliband kürzlich gefragt. „Abgeordneter“, antwortete er, nach einigem Zögern. Briten nennen ihn einen „Politikstreber“, weil er nie einen Job außerhalb der Politik hatte. Ed spielte wenigstens in seinen Schülerjahren in einer Punk-Band namens „Squashed Psyche“. David Miliband nahm Sprechunterricht, damit seine etwas roboterhafte Art geschmeidiger wird. Ed gilt als entspannter und volksnäher. In den Wettbüros ist David derzeit der Favorit. Aber Insider glauben, Ed könnte von seiner besseren Vernetzung mit der Parteilinken und den Gewerkschaften profitieren und vielleicht zum ersten Mal im Leben aus der zweiten Reihe an seinem Bruder vorbeiziehen.

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