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Brüderle und die Griechenland-Hilfe: Wie sich die Worte wenden

Die Rettung Athens kostet Deutschland Geld. Lange hat sich die Koalition um diese Wahrheit herumgedrückt. Wie sich die Positionen verändert haben, dafür steht FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle exemplarisch.

Von Antje Sirleschtov

Rainer Brüderle verkörpert diesen Positionswechsel exemplarisch. Ihn deshalb einen Wendehals zu nennen, wäre gewiss unfair. Zwar hat der Fraktionschef der FDP in den letzten zwei Jahren seine Meinung über deutsche Hilfen für das strauchelnde Athen durchaus gewendet, und zwar gleich mehrfach. Doch man muss zu Brüderles Ehrenrettung vielleicht berücksichtigen, dass auch er im Frühjahr 2010, als zum ersten Mal über Rettungsaktionen verhandelt wurde, nicht ahnen konnte, welchen Lauf die Dinge nehmen würden. Auch deshalb steht Brüderle mit seinem Positionswechsel beispielhaft für die meisten Bundestagsabgeordneten von Union und FDP.

An diesem Dienstagmorgen jedenfalls steht fest, was die schwarz-gelbe Koalition seit Jahr und Tag bestritten und auch ausgeschlossen hat: Die Rettung Athens vor der Pleite wird die deutschen Steuerzahler Geld kosten. Ein Umstand, den auch Rainer Brüderle im März 2010, er war seinerzeit noch Wirtschaftsminister im Kabinett Angela Merkels, mit Abscheu von sich gewiesen hatte. Die deutsche Regierung habe „auch nicht die Absicht, einen Cent zu geben“, betonte Brüderle seinerzeit. Die Griechen sollten sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen.

Zwei Monate später wurde das erste Hilfspaket verabschiedet, und Brüderle tat es mit „riesigen Bauchschmerzen“. Allein der Umstand, dass sich Deutschland allenfalls mit Bürgschaften und Krediten beteiligt hatte, konnte den Wirtschaftsminister trösten. Denn für beides bekommt man Zinsen, Brüderles „keinen Cent für Athen“ war also noch zu halten. Zwölf Monate lang zumindest, dann wurde klar, dass das Griechenland-Problem mit dem einen Hilfspaket nicht zu lösen sein würde. Wieder war es Brüderle, der zunächst an den Reformwillen Athens appellierte und dann im Sommer 2011 zugab: „Ohne einen Schuldenschnitt wird es nicht gehen.“

Und auch in diesem Sommer musste sich der FDP-Fraktionschef in seiner Haltung korrigieren. Sobald klar wurde, dass die Griechen auch mit dem zweiten Hilfspaket ihre Wirtschaft weder in Schwung noch ihre Schulden würden eindämmen können, beharrte Brüderle zunächst darauf, den Griechen keinerlei Zeitaufschub zu gewähren. „Weitere Unterstützung für Griechenland kann es nur geben, wenn sich die Hellenen an die Sparvorgaben halten“, mahnte er im Juni und fügte an: „Die Zeitachse, die das Reformprogramm bis 2014 festlegt, darf nicht verschoben werden.“ Allenfalls ein oder zwei Wochen Aufschub wollte er zugestehen. Denn mehr Zeit bedeutet mehr Geld, und mit einer Story über das „Fass ohne Boden“ wollte der Liberale Brüderle seinen Wählern nicht gegenübertreten.

Anders klang das dann im September. Nicht die Zeitachse, sei entscheidend, sondern die Frage, wie glaubwürdig die griechische Regierung notwendige Strukturveränderungen in die Praxis umsetzt, sagte Brüderle, der bislang jeden Rabatt für Athen, auch einen zeitlichen Aufschub, kategorisch abgelehnt hatte. Nun fand er, keiner dürfe erwarten, dass die Griechen den Strukturwandel „bis morgen schaffen“.

Vergangene Woche dann sprach Brüderle als erster ranghoher Koalitionär offen aus, was in der Union und seiner eigenen Partei lange befürchtet und doch mit immer größerer Sicherheit geahnt wurde: „Am Schluss“, gab Brüderle am Rande der Etatberatungen zum Haushalt des Bundes zu Protokoll, „wird die Rettungsaktion natürlich Geld kosten.“ Das noch länger unterschlagen zu wollen, meinte er, wäre wohl „nicht redlich“. Antje Sirleschtov

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