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Brüssel: Der EU droht ein Haushaltschaos

Die Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und den nationalen Regierungen sind gescheitert. Die Kassen der Mitgliedsländer sind leer, die Kunst des Brüsseler Kompromisses wird immer schwieriger. Nun beginnt alles von vorne.

Ein Machtkampf zwischen dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten hat in der Nacht zum Dienstag zum Abbruch der Haushaltsverhandlungen für das kommende Jahr geführt. Der polnische Parlamentspräsident Jerzy Buzek stellte das Scheitern der Gespräche fest, nachdem sich einige Regierungsdelegationen wiederholt geweigert hatten, über die Forderungen der europäischen Volksvertretung zu verhandeln. „Die Unnachgiebigkeit einiger Mitgliedstaaten“, so der frühere Warschauer Premier anschließend, „untergräbt das Vertrauen der Bürger, dass die EU effektiv arbeitet.“

Über den Haushalt 2011 selbst war in den Gesprächen Einigkeit erzielt worden. Beide Seiten hatten eine Steigerung um 2,9 Prozent auf gut 126 Milliarden Euro akzeptiert, nachdem die Abgeordneten ursprünglich ein Plus von fast sechs Prozent verlangt hatten. Sie verweigerten dennoch einen Abschluss, weil sie ein Ja bereits im Vorfeld an weitergehende, grundsätzlichere Forderungen in der Haushaltspolitik geknüpft hatten. Im Verlauf der Sitzung weigerten sich mehrere Staaten jedoch, im Rahmen künftiger Budgets bis zu vier Milliarden Euro als flexible Reserve zu deklarieren. Bisher sind 200 Millionen Euro für die Bewältigung unvorhersehbarer Ereignisse wie beispielsweise die Flutkatastrophe in Pakistan oder den Finanzcrash eingeplant. Für entsprechenden Hilfs- oder Gegenmaßnahmen, die über diese Summe hinausgehen, müssen daher immer neue Gesetze verabschiedet werden.

Auch die Bundesregierung war in diesem Punkt skeptisch, wie ein deutscher EU-Diplomat sagte: „So etwas ist im Lissabonvertrag schlicht nicht vorgesehen.“ Da im Berliner Koalitionsvertrag ein klares Nein zu EU-Steuern steht, lehnte die Bundesregierung auch den Einstieg in eine Debatte darüber ab – zusammen mit einer großen Mehrheit der anderen im Ministerrat versammelten Staaten. „Über Eigenmittel entscheiden allein die Regierungen“, beharrte der EU-Diplomat, „das Parlament muss dazu lediglich angehört werden.“ Die Abgeordneten halten die Union dagegen für unterfinanziert.

Ihre wichtigste Forderung aber ist eine geregelte Mitsprache bei der mittelfristigen Finanzplanung. In diesen Sieben-Jahres-Plänen werden die politischen Prioritäten der EU definiert und finanziert. Da diese seit mehr als 20 Jahren praktizierte Übung mit dem Lissabonvertrag erstmals rechtlich bindend geworden ist, muss das Parlament beteiligt werden.

Während die Bundesregierung dem EU-Diplomaten zufolge „damit kein echtes Problem“ hatte, lehnten Teilnehmern zufolge Großbritannien und die Niederlande die Forderung rundheraus ab. Deren neue, EU-skeptische Regierungen seien „europapolitisch unzurechnungsfähig“, kritisierte die SPD-Haushaltsexpertin Jutta Haug. Und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte: „Jene, die denken, sie hätten nun einen Sieg über ,Brüssel‘ errungen, haben sich ins eigene Knie geschossen.“

Parlamentspräsident Buzek wies darauf hin, dass es bis zur Verabschiedung eines Haushalts „unklar“ sei, wie Projekte wie das neue EU-Außenministerium, der Ausbau von Gasleitungen oder Starthilfen für Jungunternehmer finanziert werden können. Ohne verabschiedeten Haushalt steht der Union nur die Vorjahressumme zur Verfügung, die zudem monatlich von den nationalen Regierungen angefordert werden muss.

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