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Brüssel: Gesprächstherapie in der Nato

In der Nato reden Amerikaner und Verbündete wieder offen über Probleme. Drei Wochen vor dem Jubiläumsgipfel zum 60. Geburtstag der Bündnisses war US-Vizepräsident Joe Biden zum Zuhören bei den 25 Alliierten in Brüssel.

Jetzt hören die Amerikaner also schon seit Wochen ihren Verbündeten in der Nato zu. Sie haben angekündigt, ihre Afghanistan-Strategie zu überprüfen. Drei Wochen vor dem Jubiläumsgipfel zum 60. Geburtstag der Bündnisses am 3. und 4. April war in dieser Woche US-Vizepräsident Joe Biden zum Zuhören bei den 25 Alliierten in Brüssel. Das hätte sein Vorgänger Dick Cheney wohl nicht gemacht, und der Besuch kam bei den Nato-Partnern offenbar gut an. Alle waren da, jeder hatte drei bis fünf Minuten, um zu sagen, was aus seiner Sicht läuft, was nicht und wo mehr getan werden müsste. „Alle waren vorbereitet und hatten klare Vorstellungen“, sagte Nato-Sprecher Appathurai. „Er kam, um zu hören, und hörte Substanzielles.“ Die Nato arbeite gut, aber auf der politischen Seite fehle noch die nötige Aufmerksamkeit.

Bei dem Treffen mit Biden kamen offenbar durchaus verschiedene Ansichten zum Ausdruck, von einem „Flickwerk“ war die Rede. Thema wieder einmal: Wie werden die Sicherheitskräfte ausgebildet, wer zahlt in den Trust Fund zur Finanzierung auch der Polizeiausbildung ein – und: Wer stellt das Personal? Einmal mehr standen die Europäer in der Kritik. Einen gemeinsamen Ausbildungsansatz gebe es noch immer nicht, und von ihnen wird erwartet, dass sie endlich mehr Polizisten schicken. Diskutiert wurde auch, welche Parameter angelegt werden sollten, um befriedete Distrikte schneller an die Afghanen zu übergeben.

Und die Erwartungen gehen über Afghanistan hinaus. Wie wollen die Partner mit Pakistan umgehen, wie stellen sich etwa die Deutschen die Diplomatie mit Islamabad vor? Wie wird das russische Engagement gewertet? „Darauf erwartet Biden Antworten“, war nach dem Treffen zu hören. Am Donnerstag forderte Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer ein stärkeres Engagement der Nato in Pakistan.

Schließlich wünschen sich die Amerikaner offenbar eine gemeinsame Strategie, denn nur gemeinsam könne man etwas bewegen. Das hieße aber auch, dass die Amerikaner viel mehr erwarten, als Truppen – nach denen sie nach allgemeiner Erwartung derzeit nicht fragen werden – oder Polizisten. Das hieße, dass sich alle Partner zu dem überarbeiteten Konzept bekennen sollen, am besten einem für die ganze Region . Fortan würden dann nicht mehr die Amerikaner etwas fordern (müssen), sondern alle müssten zusammen ihr gemeinsames Konzept umsetzen. Da würde es schwerer, sich zu entziehen.

Nicht nur der Dauerbrenner Afghanistan steht auf der Agenda des in zweieinhalb Städten grenzüberschreitend in Baden-Baden, Kehl und Straßburg angesetzten Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Allianz, bei dem Frankreich in die Kommandostruktur zurückkehren soll. Nur rund sechs Stunden sind auf dem Gipfel für Gespäche vorgesehen. Am Samstagvormittag sollen, wenn alles gut geht, Albanien und Kroatien als neue Mitglieder aufgenommen werden. Schon am Freitag geht es um das Verhältnis zu Russland. Die Ansichten über Moskaus Rolle gehen allerdings weit auseinander.

Nicht zuletzt soll zum Gipfel das „byzantinische Verfahren“ (Appathurai) der Suche nach einem Nachfolger für Generalsekretär de Hoop Scheffer abgeschlossen sein. Dessen Vertrag endet im Juli. Als europäischer Favorit gilt der dänische Premier Anders Fogh Rasmussen, gegen den aber laute Vorbehalte aus der Türkei kommen. Auch mancher Europäer könnte sich Kanadas Verteidigungsminister Peter MacKay vorstellen. Die Aufteilung, die Militärspitze stellen die Amerikaner, den Generalsekretär die Europäer, ist für sie Denken aus dem Kalten Krieg.

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