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Politik: BSE: Durchbruch auf dem Korridor

Tiermehl hat die Beziehungen vergiftet. Über zwei Stunden sitzen Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) auf der Regierungsbank im Bundesrat nebeneinander und wechseln kein einziges Wort.

Tiermehl hat die Beziehungen vergiftet. Über zwei Stunden sitzen Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) auf der Regierungsbank im Bundesrat nebeneinander und wechseln kein einziges Wort. Der Abstand zwischen ihnen ist gering, ihre Papierstöße drohen auf dem schmalen Pult ineinander zu fallen, aber es fällt kein Wort über den Inhalt der Anträge aus dem Bundesrat. Dabei hätten sich Fischer und Funke darüber eine Menge zu sagen, seitdem die Beamten aus ihren Häusern vor einer Woche ein sofortiges Verbot der Tiermehlverfütterung angekündigt haben. Aus der Eilverordnung wurde ein Eilgesetz, das von Dienstag bis Freitag durch die Parlamente gebracht wurde. Den Bundestag passierte es am Donnerstag, die Länder stimmten am Freitag einstimmig zu.

Nicht ohne Bauchgrimmen wegen ungeklärter Kostenfragen - und mit besonderer Eile. Die Geschäftsordnung wurde außer Kraft gesetzt, damit die Zustimmung sofort nach der Abstimmung gültig wurde und nicht erst am Ende der Sitzung. So konnte Bundeskanzler Schröder das Gesetz noch am Freitag unterzeichnen, dann wurde es per Flugzeug zu Bundespräsident Johannes Rau nach Bonn gebracht, um dessen Unterschrift einzuholen. Damit tritt es an diesem Samstag in Kraft.

Ganz ohne Retourkutsche kam die Bundesregierung, die dem Bundesrat ihre Eile aufzwang, aber nicht davon: Überraschend kam, nach einigem Hin und Her auf dem Parkett, ein einstimmig verabschiedeter Entschließungsantrag zustande, der in der Forderung nach einem Importverbot für britisches Rindfleisch gipfelte. Noch am Donnerstag hatte es so ausgesehen, dass es einen gemeinsamen Antrag aller Länder nicht geben werde, mit dem die Bundesregierung zu weitergehenden Schritten bewegt werden sollte. Es war der Überredungskunst der Düsseldorfer Bank zu verdanken: Vor allem NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) - "heute müssen wir handeln" - und Ministerpräsident Wolfgang Clement warben im eigenen Lager um Zustimmung für Forderungen der Unions-Länder, damit der Antrag der SPD-geführten Länder - vorgegeben vor allem von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen - doch eine Mehrheit finden könne.

Es gelang. Die Union verzichtete auf schärfere Formulierungen, konnte aber eigene Kernforderungen durchsetzen. So verlangt nun der Bundesrat einstimmig von der Bundesregierung, "unverzüglich im nationalen Alleingang" einen Importstopp für britisches Rindfleisch zu verfügen. Zudem soll die Bundesregierung nicht nur die Verfütterung von Tiermehl verbieten, sondern auch dessen Verwertung. Außerdem soll die Bundesregierung endlich dafür sorgen, dass EU-Kommissar David Byrne die Kennzeichnungspflicht für Rindfleisch in der EU durchsetzt. Und weil das noch nicht genug war, schloss der Bundesrat die Forderung an, künftig einen BSE-Test bei allen geschlachteten Rindern einzuführen, "bei denen der Test aussichtsreich ist". Das geht weiter als die Verordnung von Ministerin Fischer, die den Test nur bei Tieren fordert, die älter als 30 Monate sind. In Großbritannien wurden aber auch schon jüngere Rinder positiv getestet. Die CSU hatte daher darauf gedrungen, ab einem Alter von 24 Monaten zu testen. Eine schwarz-grüne Allianz der besonderen Art hatte sich da gefunden: Höhn und die CSU-Bayern einer Meinung, allenfalls in Nuancen unterschiedlich.

Wortführerin Bärbel Höhn war es, die in einer turbulenten, wenn auch konzentrierten Arbeitspause auf dem Korridor gemeinsam mit der Mainzer Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) und Niedersachsens Landwirtschaftsminister Uwe Bartels den bayerischen Bundesratsminister Reinhold Bocklet vom gemeinsamen Vorgehen überzeugte. Ausgerechnet jenen Bocklet, der den SPD-Ländern gerne Feigheit vor der Bundesregierung vorwarf und von "Selbstgleichschaltung" der SPD-Länderregierungen sprach. Die "Verhandlungen" unter Höhns Vermittlung begannen während der Rede der Bundesgesundheitsministerin. So hoch ging es im Plenum her, dass Bundesratspräsident Kurt Beck die Runde sogar auffordern musste, doch bitte außerhalb des Saales weiter zu reden.

Nach dem Einlenken Bayerns zog Baden-Württemberg ebenfalls mit, die von der CDU regierten Länder Sachsen und Thüringen hatten schon vorher signalisiert, dass sie für den Antrag sind. Erbost zeigte sich später der Bundeslandwirtschaftsminister. Karl-Heinz Funke warnte nach der Abstimmung vor Euphorie: "Ein einseitiges Importverbot stehenden Fußes geht so nicht."

Bärbel Höhn war dennoch erleichtert. "Das ist ein schöner Abschluss einer guten Woche", sagte sie dem Tagesspiegel. Das Tiermehlverbot stelle die Länder zwar vor "riesige logistische Schwierigkeiten", aber immerhin sei eine "Trendwende in der Krise" auszumachen.

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