zum Hauptinhalt

Politik: BSE-Krise: Bündnis für Rindfleisch

Der Gründer des Notärzte-Komitees Cap Anamur, Rupert Neudeck, ist fast am Ziel. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, das Fleisch von 200 000 in Deutschland zur Vernichtung vorgesehenen Rindern als Hilfslieferung nach Nordkorea zu bringen.

Von

Der Gründer des Notärzte-Komitees Cap Anamur, Rupert Neudeck, ist fast am Ziel. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, das Fleisch von 200 000 in Deutschland zur Vernichtung vorgesehenen Rindern als Hilfslieferung nach Nordkorea zu bringen. Selbst Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die bisher dagegen war, machte eine Kehrtwende. Sie hält die Rindfleisch-Lieferung "nach ethischer Abwägung" nunmehr für vernünftig. Allerdings müsse sie an Bedingungen geknüpft werden, sagte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Das Fleisch müsse durch internationale Hilfsorganisationen verteilt werden. Außerdem müsse gewährleistet werden, dass es tatsächlich bei den Bedürftigen ankommt. Tagesspiegel Online Spezial: www.tagesspiegel.de/bse

Noch vor einer Woche hatte sich Wieczorek-Zeul der Auffassung des UN-Welternährungsprogramms (WFP) angeschlossen, das den Rindfleischexport als "zu teuer und zu aufwändig" bezeichnet hatte und zudem eine völlig ungesicherte Logistik beklagte. Doch auch dort scheint ein Sinneswandel stattgefunden zu haben. Der "Stern" zitiert den Nordkorea-Beauftragten des WFP, Francis Mwanza: "Wenn die Regierungen in Berlin und Pjöngjang zustimmen, kann das problemlos laufen. Wir liefern ja vor allem deshalb Getreide, weil es billiger ist." Das stimmt nicht unbedingt mit der WFP-Analyse der Lage Nordkoreas vom 31. Januar 2001 überein. Dort heißt es, dass die wenigsten nordkoreanischen Familien noch frische Lebensmittel zur Verfügung hätten. Nach einer schlechten Ernte und in einem der kältesten Winter seit 50 Jahren seien nur noch essbare getrocknete Gräser und Blätter sowie Algen in den Küstenregionen vorhanden.

Bernd Dunnzlaff, Pressesprecher des Entwicklungsministeriums, widerspricht der Feststellung, dass Nordkorea eher Grundnahrungsmittel als Rindfleisch benötige, nicht. "Das würden wir auch so sagen, wenn es nicht diese Sondersituation mit den 400 000 Rindern gäbe, die vernichtet werden sollen." In diesem Ausnahmefall sei ein solcher Export vertretbar, sagt Sigrun Neuwerth, Sprecherin des Agrarministeriums. Simone Pott, Pressesprecherin der Deutschen Welthungerhilfe, meint lakonisch: "Es geht ja auch nicht darum, eine sinnvolle Nahrungsmittelhilfe für Nordkorea zu leisten." Deutschland habe eben gerade zu viele Rinder. Es gehe darum, diese mit möglichst gutem Gewissen loszuwerden.

Mit der Fleischlieferung nach Nordkorea würde ein alter Plan umgesetzt, der zu Zeiten der Kohl-Regierung noch gescheitert war. Vor dem Regierungswechsel in Bonn hatten sich deutsche Fleischhändler nach Pjöngjang aufgemacht, um die Lieferung von Fleisch aus EU-Interventionsbeständen einzufädeln. Ausgerechnet bei der CSU im Bundestag fanden sie damals willige Unterstützer - die Christsozialen hatten von allen Bundestagsabgeordneten vor Jahren die engsten Kontakte zu dem abgeschotteten kommunistischen Regime aufgebaut.

Unter anderem der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Erich Riedl wurde zum eifrigen Lobbyisten für das Rindfleisch-Projekt. Er selbst hatte Nordkorea bereist. "Schnellstmöglich" müsse politisch durchgesetzt werden, "dass Rindfleisch aus den Beständen der Gemeinschaft nach Nordkorea geliefert wird", forderte Riedl am 25. Juni 1997 in einem Brief an Landwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU). Ähnlich argumentierte auch Peter Ramsauer, heute CSU-Fraktionsgeschäftsführer, nach einer Reise im September 1997 nach Pjöngjang. Borchert selbst wandte sich mehrfach an die EU, bekam aber aus Brüssel stets einen Korb. Agrarkommissar Franz Fischler 1997: "Die übereinstimmenden Einschätzungen" des Welternährungsprogramms und der Kommission vor Ort "besagen, dass sich die zu liefernden Produkte ausschließlich aus pflanzlichen Erzeugnissen, vor allem Reis, zusammensetzen sollen."

Bei ihren Aktivitäten in Nordkorea stellte die CSU stets den humanitären Aspekt heraus - offiziell. Doch es gibt genug Hinweise, dass handfeste Geschäftsinteressen eine Rolle spielten. Nach seiner Reise im Herbst 1997 stellte der CSU-Politiker Ramsauer in einem internen Bericht fest, die Hungerkatastrophe in Nordkorea werde von den internationalen Medien "vollkommen überzeichnet". "Hungerkatastrophe" war in diesem Vermerk des CSU-Politikers in Gänsefüßchen gesetzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false