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Politik: Bühne frei für den Machtkampf der Unbelasteten (Kommentar)

Reicht das Opfer, das die CDU sich selbst und der Öffentlichkeit gebracht hat? Was vor drei Wochen ganz undenkbar schien, ist jetzt nicht genug.

Reicht das Opfer, das die CDU sich selbst und der Öffentlichkeit gebracht hat? Was vor drei Wochen ganz undenkbar schien, ist jetzt nicht genug. Nach dem Ehrenvorsitz soll Kohl auch das Bundestagsmandat aufgeben, fordert nicht nur Peter Müller, Chef der Saar-CDU. Unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitsfindung nicht sehr sinnvoll, denn Kohl hat mit der Aufgabe seines Partei-Amtes dem Letzten klargemacht, dass er nicht zur Aufklärung beitragen will.

Unter dem Gesichtspunkt der Emanzipation der Partei von ihrem Altvorderen ist Müllers Vorschlag vielleicht konsequent. Noch folgerichtiger wären - wenn schon, denn schon - die Sanktionsmittel der Partei: Verweis, Verwarnung, Ausschluss. Undenkbar? Nicht mehr. Der Weg aus dem Sumpf? Nein. Denn mit dem Ende des Ehrenvorsitzenden Kohl hat die CDU ein Mittel der Krisenbewältigung ausgeschöpft: Man hat sich vom hauptsächlichen Übeltäter abgegrenzt. Notwendig, aber nicht hinreichend, um mit dem Debakel fertig zu werden. Die CDU hat sich emanzipiert, jetzt ist sie auf sich selbst geworfen. Sie muss mit immer neuen Enthüllungen fertig werden, mit einer Finanzkrise und noch wichtiger: mit der Frage, wie in den Strukturen einer demokratischen Partei diese Allmacht entstehen konnte, wer sie gedeckt und wer sie geduldet hat.

Die heftigste Fieberphase der Krise liegt noch vor der CDU und vor Wolfgang Schäuble. Der historische Dienstag dürfte in diesem Prozess der letzte Tag gewesen sein, bei dem die Akteure Geschlossenheit zu ihrer Devise gemacht haben. Ohne sie hätte Kohl nicht beiseite geschoben werden könne. Doch die Gremien-Sitzungen setzten sich übergangslos nach ihrem Ende fort: gewissermaßen außerparlamentarisch. Vor vielen Kameras, im öffentlichen Raum.

Schäuble hat am Dienstag bloß einen Machtkampf gewonnen, bei dem einer der Beteiligten die Macht schon längst auf demokratischem Weg verloren hatte, nämlich Helmut Kohl. Jetzt ist die Bühne frei für den eigentlichen, den Kampf um die Macht nach Kohl. Und eine der schlimmsten Bürden, die Kohl seiner Partei aufgeladen hat, ist wohl, dass es für diesen Kampf nun keine Schlachten-Ordnung mehr gibt. Die ehemaligen Kohl-Minister Volker Rühe und Jürgen Rüttgers, die sich brav in die zweite Reihe hinter Schäuble gestellt hatten, um sich durch Wahlsiege zu beweisen, stehen mit dem Rücken an der Wand. Der erste Held der neuen Ära, Wahlsieger Roland Koch, musste die schlimmsten Auswüchse des Skandals verkünden - schuldig oder unschuldig. Die von Kohl Gedemütigten sehen ihre Stunde: An potenziellen Übergangs-Vorsitzenden hat die CDU wirklich keinen Mangel. Sie findet sich nach der Absetzbewegung von Kohl als Nattern-Nest wieder: unterschiedlichste Interessen, bittere Vorwürfe, Schuld, Mitwisserschaft, unschuldige Verstrickung - alles, nur keine Politik.

Es ist unmöglich, dass in so tiefer Krise die wichtigste aller Partei-Tugenden gewahrt bleibt: die Geschlossenheit. Schon zwischen den Partei-Vorsitzenden und seine Generalsekretärin passt wegen ihrer unterschiedlichen Geschichte mehr als ein Blatt Papier. Für die Abstände unter den Stellvertretern reichen die Namen Blüm und Wulff. Wo sind eigentlich die Jungen? Man sieht sie auf den Bildschirmen. Es wäre an der Zeit, dass sie ohne Mikrophone, in geschlossenen Räumen überlegen, was sie wollen. Die CDU gerät ins Chaos. Da trägt es zur Ordnung bei, wenn die Unbelasteten sich zusammensetzen - auch außerhalb der offiziellen, der belasteten Strukturen.

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