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Politik: Bündnis für Beifall

Das letzte Duell vor der Wahl: Schröder erklärt Stoiber für unfähig, aber die FDP applaudiert dem Kandidaten

Von Hans Monath

Manchmal wirkt Beifall auch trotzig. Genau in dem Moment, da die Union ein Umfragetief erreicht hat, musste Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) am Freitag im Bundestag das Kunststück versuchen, gegen den Trend Punkte zu machen. In der Debatte, in der Kanzler und Kandidat zum letzten Mal vor der Wahl aufeinander trafen, bemühte er sich nach Kräften, die Regierung in der Irak-Debatte in die Defensive zu bringen. Das war angesichts der Mehrheitsstimmung eine undankbare Aufgabe – auch deshalb belohnte die Unionsfraktion ihren Frontmann nach 40 Minuten mit langem Beifall, der auch dem eigenen Lager Mut machen sollte.

„Statt die notwendigen Gespräche mit den Verbündeten zu führen, um Einfluss zu nehmen, schüren Sie Kriegsangst und ziehen damit über die Marktplätze", warf Stoiber dem Kanzler vor – und schlug gleich den Bogen zur Innenpolitik: Mit der „Täuschung der Menschen" versuche Schröder, sein Versagen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu verdecken. Wieder erhob der Herausforderer den Vorwurf, die Politik der Koalition sei sozial ungerecht. Und er setzte einen neuen Akzent, indem er Zuwanderungsfragen und Kriminalität in einem Atemzug abhandelte und warnte, Rot-Grün bedeute weniger Sicherheit.

Zwar zahlte Schröder (SPD) die Attacken mit kleiner Münze zurück, als er Stoiber die Fähigkeit für das höchste Regierungsamt absprach. Aber dann bemühte sich der Amtsinhaber sichtlich, in Körpersprache und Duktus Souveränität und auch Überlegenheit zu demonstrieren: Stoibers Rede sei eine Mischung aus Aggressivität und Hilflosigkeit gewesen. Schröder deklinierte die Thesen durch, die auch in Kundgebungen Beifall finden: die Ablehnung einer deutschen Beteiligung an einer Irak-Intervention, das Bekenntnis zum sozialen Ausgleich, die Förderung der Familie und der Ausgleich von Ökologie und Ökonomie.

Den Wettbewerb der kleinen Parteien bestritten Joschka Fischer (Grüne) und Guido Westerwelle (FDP). Schon der Applaus der Abgeordneten machte deutlich, dass die Liberalen zwar ohne Koalitionsaussage, aber mit klarer Präferenz für einen Koalitionspartner in die Wahl gehen. Die FDP klatschte fast durchgängig für Stoiber, die Union umgekehrt für Westerwelle. Damit stand in der Debatte Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün. Als ob er seine Abneigung gegen ein mögliches Bündnis mit der FDP demonstrieren wolle, stand Schröder während Westerwelles Rede auf und verließ die Regierungsbank. Der FDP-Chef beschwerte sich prompt über das Desinteresse des Kanzlers.

Der Außenminister startete in seine Rede als Analytiker internationaler Konflikte, steigerte sich dann aber zum Wahlkämpfer, der den ganzen Plenarsaal in Wallung brachte. Dabei wandte sich Fischer dem schräg hinter ihm auf der Länderbank sitzenden Kanzlerkandidaten der Union mit Vorliebe direkt zu, wenn er ihn attackierte. Als er Stoiber wegen angeblich ungedeckter Versprechungen mit einem Fleckenwasserhändler verglich, dessen Mittel nichts hilft, lachten sogar Unionsabgeordnete. „Das ist die Politik des billigen Jakobs", schimpfte der Minister.

Viel Zuversicht, die emotionalisierte Debatte über den Irak doch noch zu gewinnen, war am Rande des Plenums von der Opposition nicht zu hören. Sozialdemokraten und Grüne dagegen wollten einen „klaren Zwei-zu-Null-Sieg" (SPD-Fraktionsvize Gernot Erler) von Schröder und Fischer erlebt haben. Im schwarz-gelben Lager wurde laut über taktische Fehler Stoibers in der Kriegsdebatte diskutiert. Oppositionsabgeordnete machten sich auch Gedanken darüber, wie ein wieder gewählter Schröder seine Absage an jede UN-Intervention im Irak wieder aufgeben könnte, wenn Deutschland demnächst Sicherheitsratsmitglied wird. „Die Avus-Kurve", meinte Ex-Außenminister Klaus Kinkel, „möchte ich dann erleben."

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