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Das Bürgerforum sollte Teil des Bands des Bundes werden, zu dem auch das Paul-Löbe-Haus gehört.

© Kai-Uwe Heinrich/TSP

Bürgerforum: Wo die Politik zur Gesellschaft kommt

Bei Bundesregierung und Bundestag kommt der Bürger zur Politik, im Bürgerforum kommt die Politik zum Bürger. Will sie das? Will sie dafür einen Ort zur Verfügung stellen? Ein Gastbeitrag.

Was sollte das Bürgerforum sein? Man kommt weiter, wenn man damit anfängt, was es nicht sein soll: ein Ort der Begegnung zwischen Lobbyisten und Interessenvertretern bürgerschaftlicher Organisationen. Diese haben bereits ihre Zugänge in den Deutschen Bundestag, sind da zwar nicht zu Hause, aber haben ihre Passierscheine, um ohne große Hürden dorthin zu ihren parlamentarischen Ansprechpartnern zu kommen. Das ist gut (wenn auch nicht immer schön) und richtig und soll auch so bleiben. Es ist die durchaus legitime Art und der Ort der Begegnung zwischen Gruppen der Gesellschaft einerseits sowie Bundestag und Bundesregierung andererseits aus den Interessen, Einschätzungen und Zielen dieser Gruppen heraus. Sie suchen die Orte auf, wo die Bundesregierung oder der Bundestag zu Hause sind. Das ist in Ordnung, denn sie wollen bei diesen ja auch etwas erreichen.

Im Bürgerforum allerdings müssten die Bürgerinnen und Bürger selbst die Hausherrn sein. Daraus ergibt sich folgende mögliche doppelte Aufgabenstellung:

Das Bürgerforum könnte erstens der richtige Ort sein für all das, wo schon heute die Politik den Weg verfolgt oder mindestens den Anschein dafür erweckt, nicht nur zu politischen, sondern zu gesamtgesellschaftlichen Lösungen zu kommen. In solchen Prozessen nämlich geht es darum (müsste es darum gehen), dass nun nicht Vertreter der Gesellschaft mit ihren Anliegen zur Politik kommen, sondern dass umgekehrt die Politik die Gesellschaft benötigt, um das beabsichtigte Ziel zu erreichen. Dort kommt die Gesellschaft zur Politik, hier käme die Politik zur Gesellschaft.

Werden wir konkret: Der Ethikrat, der Rat für Nachhaltigkeit, vielleicht sogar die Kommission zur Suche nach dem richtigen atomaren Endlager … all dies könnten Aufgaben sein, die die Politik als gesamtgesellschaftliche versteht und nicht nur als vor allem politische (allerdings unter „Mitwirkung“ von Gesellschaft).

Die banale Rückfrage: "Wie soll denn das gehen?"

Im letzteren Falle wären dafür nach wie vor die Räume von Bundestag und Bundesregierung die richtigen. Im ersteren Falle aber, dem eines wirklich gesamtgesellschaftlichen Projekts, fehlt es bisher an einer ähnlich legitimierten Adresse. Diese dürfte nicht der Raum der Politik sein. Diese könnte das Bürgerforum sein.

Man könnte auch so sagen: Bei Bundesregierung und Bundestag kommt der Bürger zur Politik, im Bürgerforum kommt die Politik zum Bürger. Will sie das? Will sie dafür einen Ort zur Verfügung stellen? Das ist die Frage, die sich mit dem Versprechen „Bürgerforum“ stellt. Die danach gewählte Adresse könnte zukünftig sogar darüber Auskunft geben, ob es jeweils um einen wirklich gemeinsam verantworteten, einen gesamtgesellschaftlichen Prozess geht oder schließlich doch „nur“ um einen politischen. Beides ist möglich und legitim, aber das eine unterscheidet sich vom anderen sehr. Die Ortswahl zwischen Bürgerforum und Bundestag würde wie eine Wasserscheide für die Beantwortung dieser Frage wirken.

Handelt es sich um letztlich von der Politik getriebene Prozesse, so müsste das Bürgerforum in seiner zweiten Aufgabenstellung als Ort zur Verfügung stehen, wo solche Prozesse von der Gesellschaft her in Gang gebracht und konzipiert werden können. Das Bürgerforum müsste diesbezüglich der Ort sein, an dem sich unter der Eintrittsbedingung des Gemeinwohls (also nicht von Einzelinteressen) Gesellschaft versammeln und sich sprech- und handlungsfähig machen kann.

Die banale Rückfrage: „Wie soll denn das gehen?“, will ich hier nur mit der Behauptung beantworten, dass solche Formen interessenübergreifender Positionierung der Gesellschaft (gar nicht gegen die Politik, sondern eher: weil die Politik das benötigt und immer mehr benötigen wird) in der Zukunft unverzichtbar sein werden. In unseren Städten und Dörfern findet so etwas – eher als erste und tastende Versuche – bereits alltäglich statt.

- Der Autor war CDU-Senator in Berlin und ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zukunft Berlin.

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