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Kongolesische Regierungssoldaten

© dpa

Bürgerkrieg im Kongo: Regierungstruppen außer Kontrolle

Die humanitäre Katastrophe im Kongo weitet sich aus: Soldaten der Regierungstruppen dringen in Privathäuser der Provinzhauptstadt Goma ein, plündern und vergewaltigen. Zehntausende sind auf der Flucht. Die EU will Hilfe leisten, schließt aber einen Militäreinsatz aus.

Die Lage in der kongolesischen Provinzhauptstadt Goma bleibt trotz eines einseitigen Waffenstillstands des Rebellengenerals Laurent Nkunda angespannt. Die Regierungstruppen in der Stadt seien "außer Kontrolle", berichteten UN-Vertreter am Donnerstag. Hilfsorganisationen warnten vor einer humanitären Katastrophe, wenn die mehr als eine Million Flüchtlinge nicht bald versorgt werden könnten. Einen Militäreinsatz der EU schloss der französische Außenminister Bernard Kouchner aus. "Europa ist bereit zu helfen, wir denken in erster Linie an humanitäre und technische Hilfe", sagte Kouchner in Paris. Die EU stellte eine Nothilfe von vier Millionen Euro für Flüchtlinge und Vertriebene im Osten des Kongos bereit.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen berichteten, es gebe Hinweise, dass Regierungssoldaten sich angesichts des Rebellenvormarschs abzusetzen versuchten und dabei plünderten. Auch Banditen nutzten die prekäre Sicherheitslage aus. Bei nächtlichen Schießereien sei eine unbekannte Zahl von Menschen getötet worden. Mehrere Organisationen hatten ihr internationales Personal aus Goma zurückgezogen und warten nun darauf, dass die Sicherheitslage ihnen eine Fortsetzung ihrer Arbeit ermöglicht.

Randalierende Soldaten erschießen und vergewaltigen

Randalierende und betrunkene Soldaten seien in der Nacht zum Donnerstag in Privathäuser eingedrungen. Es sei zu Erschießungen und Vergewaltigungen gekommen, sagte ein Sprecher des katholischen Sozialordens Don Bosco. Am Mittwoch wurden demnach einer spanischen Ordensfrau, die als Pflegerin in einem Lazarett arbeitete, von Rebellen beide Füße abgehackt. Die humanitäre Situation sei dramatisch, sagte Pater Mario Perez, Leiter des Don Bosco Zentrums in Goma. Die Bevölkerung werde "von beiden Parteien als Geisel genommen".

Madnodje Mounoubai, Sprecher der UN-Friedenstruppen (MONUC), sprach von einer doppelten Fluchtbewegung in Goma. Tausende Flüchtlinge versuchten aus dem Umland nach Goma zu gelangen, während Einwohner der Provinzhauptstadt angesichts der unsicheren Lage zu fliehen versuchten. Mounoubai sagte, in Goma habe am Donnerstag weitgehend Ruhe geherrscht. Auf den Straßen waren MONUC-Patrouillen. Nach Angaben von Augenzeugen wagten sich nur wenige Menschen nach draußen, während Nkundas Rebellen unmittelbar vor der Stadt blieben.

Zehntausende flüchten

Nkunda hatte am Wochenende eine neue Offensive begonnen und innerhalb weniger Tage die Armee aus mehreren Städten der Region Nord-Kivu vertrieben. Die schweren Kämpfe lösten eine Massenflucht von mehreren zehntausend Zivilisten aus, die teilweise auch ins benachbarte Uganda flohen. Nkunda hatte am Mittwochabend erklärt, er habe eine Feuerpause angeordnet, um eine weitere Destabilisierung zu verhindern.

Besonders schwierig ist derzeit die Versorgung von Flüchtlingen außerhalb Gomas. Das Welternährungsprogramm (WFP) könne derzeit keine Lebensmittel außerhalb Gomas verteilen, sagte ein Sprecher. Einige Regionen seien wegen der andauernden Kämpfe seit Anfang Oktober nicht erreicht worden, obwohl dort zahlreiche Flüchtlinge auf Hilfe angewiesen seien. In einem Flüchtlingslager außerhalb Gomas herrschte Verdacht auf Cholera.

Hintergrund des Konflikts

Der Rebellengeneral Nkunda gehört der Volksgruppe der Tutsi an, und obwohl er aus dem Kongo stammt, kämpfte er in der Ruandischen Patriotischen Front, die 1994 das Hutu-Regime in Ruanda stürzte und nach 100 Tagen dem blutigen Völkermord an etwa 800.000 Tutsi und gemäßigten Hutu des zentralafrikanischen Kleinstaates ein Ende setzte. Der ethnische Konflikt zwischen Hutu und Tutsi zieht sich wie ein roter Faden durch das politisch-militärische Leben Nkundas.

Der General dürfte vor allem aber wirtschaftliche Interessen haben. Denn die Region Kivu ist reich an Bodenschätzen wie Gold, Kupfer und Coltan. Und wer die Macht in Kivu hat, der hat auch Zugang zu diesen Ressourcen und den beträchtlichen Verdienstmöglichkeiten. Die Regierung in Kinshasa wirft dem Nachbarland Ruanda vor, Nkunda aktiv zu unterstützen. (bai/dpa)

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