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Ausnahmezustand. Nicht nur Backwaren, wie sie hier in einer Fabrik in Aleppo noch produziert werden, sind Mangelware. Es fehlt in Syrien an fast allem.

© AFP

Bürgerkrieg in Syrien: Handel statt Wandel

In Syrien ist in Folge des Bürgerkriegs der Außenhandel kollabiert, Lebensmittel werden knapp. Das Regime hofft nun auf Tauschgeschäfte mit befreundeten Staaten.

Öl gegen Nahrungsmittel – nach diesem aus dem Irak bekannten Muster will Syrien künftig Handel betreiben. Nach einem Bericht der syrischen Tageszeitung „Al-Watan“ hat die Regierung ein entsprechendes Protokoll unterschrieben, das den Tauschhandel mit ausländischen Partnern regelt. Ökonomen werten diesen Schritt als Bankrotterklärung. Sie sehen einen weiteren Beweis dafür, dass das syrische Regime nicht mehr in der Lage ist, die Importe mit Devisen zu bezahlen. Die Verluste durch die Sanktionen seit Beginn der Krise im Frühjahr 2011 schätzt das Ölministerium auf insgesamt 6,3 Milliarden Dollar.

Auf diesen Tauschhandel sollen sich vor allem „befreundete“ Länder wie Russland, China, Iran, Irak oder Indien einlassen. Ein halbes Dutzend Firmen aus verschiedenen arabischen und anderen Staaten haben laut Vize-Handelsminister Hayyan Suleiman bereits Interesse angemeldet. Syrien braucht insbesondere Brotgetreide, Reis, Futtermittel, Baumwolle und Phosphate und möchte mit Öl, Textilien, Schuhen oder Gemüse bezahlen. Mit dem Iran wurde in den letzten fünf Monaten bereits Olivenöl gegen 100 000 Tonnen Kartoffeln ausgetauscht. Der zuständige Minister hat aber zugegeben, dass diese Barter-Geschäfte nicht effizient und mit vielen Schwierigkeiten verbunden seien, etwa was Fragen der Lagerung oder des Transportes betrifft. In dieser Notlage seien sie aber eine gute Wahl – ein Ausweg, um die Sanktionen zu durchbrechen und den Abfluss von Dollar und Euro zu stoppen.

Die Lebensmittelimporte sind im Laufe des Bürgerkrieges stetig gestiegen, weil in den traditionellen „Brotkörben“ des Landes, den Regionen von Idlib, Aleppo und Deraa die kriegerischen Auseinandersetzungen am intensivsten sind. Das Regime hat in diesen Gebieten sogar gezielt Felder bombardiert, um den Aufständischen die Lebensgrundlagen zu entziehen. 2,5 Millionen Syrer leiden deshalb an Hunger und Kälte, dennoch hatte die Regierung in Damaskus die Aktivitäten des Welternährungsprogramms (WFP) behindert, indem sie vielen Nichtregierungsorganisationen die Zusammenarbeit mit der UN-Organisation untersagt hatte. Diese Einschränkung ist in dieser Woche aufgehoben worden. Das WFP hat jetzt genug lokale Partner, um seine Hilfe von bisher 1,5 auf 2,5 Millionen Menschen aufzustocken. Verteilt werden sollen nach den Worten von WFP-Chefin Ertharin Cousin in Genf vor allem Brotgetreide und Treibstoff für Bäckereien.

Die Opferzahl des Bürgerkriegs klettert auf 60000

Mindestens 55 Menschen sollen nach Angaben von Aktivisten am Donnerstag ums Leben gekommen sein, die meisten in der Umgebung von Damaskus, wo sich die Freie Syrische Armee nach einer Woche mit heftigen Kämpfen aus al Mleiha zurückziehen musste. Von mehr als hundert Toten am Mittwoch in Homs, darunter Frauen und Kinder, berichtete die der Opposition nahestehende syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Einige von ihnen sollen in ihren Häusern verbrannt, andere durch Kugeln getötet worden sein. Etwa tausend Personen seien vor den Bombardements geflohen. „Al-Watan“ meldete „bemerkenswerte Fortschritte“ der regulären Armee in dieser Region in der Umgebung von Homs, wo Dörfer von Aufständischen gesäubert worden seien.

Die Menschenrechtsorganisation verlangt eine UN-Untersuchung dieser Ereignisse. Erst vor wenigen Tagen hatten die UN die Zunahme der Kriegsverbrechen in Syrien kritisiert, wo seit dem Beginn der Revolte am 15 März 2011 mehr als 60000 Menschen gestorben sind. Für den tödlichen Anschlag auf die Universität von Aleppo, der am Montag mindestens 87 Todesopfer gefordert hatte, schieben sich Rebellen und Regime nun gegenseitig die Schuld zu. Jede Seite behauptet, die andere hätte die Hochschule mit Raketen angegriffen. Präsident Baschar al Assad hat angeordnet, dass das Gebäude sofort wiederaufgebaut und die Prüfungen trotzdem abgehalten werden sollen.

Der Flüchtlingsstrom aus Syrien setzt Europa unter Druck. Nach einer Anfrage von UN-Flüchtlingskommissar António Guterres berieten die EU-Innenminister am Donnerstag in Dublin über die Aufnahme weiterer syrischer Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte: „Ich hoffe, dass die EU-Länder ihre Verantwortung übernehmen.“ Allerdings zeigte sie sich skeptisch, dass die Staaten dazu bereit seien: „Wir werden sehen.“ mit dpa

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