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Ein Bewohner der halb zerstörten syrischen Stadt Kafr Batna protestiert mit wütenden Graffiti gegen die Belagerung von Madaja durch syrische Truppen.

© AFP

Update

Bürgerkrieg in Syrien: Hilfskonvoi in Madaja angekommen

Die Bewohner der belagerten syrischen Stadt Madaja haben keine Nahrung mehr. Am Montag ließ Machthaber Baschar al Assad einen Hilfskonvoi durch - doch gelöst ist das Problem damit nur für kurze Zeit.

Sie essen Gras, Insekten und Haustiere, um zu überleben. In ihrem Krankenhaus gibt es kaum noch Medikamente und keine Antibiotika und Narkosemittel mehr. Die Einwohner von Madaja, einer Stadt zwischen der syrischen Hauptstadt Damaskus und der libanesischen Grenze, sind seit Monaten von den syrischen Regierungstruppen eingeschlossen. Einige Einwohner sollen verhungert sein, nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mindestens 23 Menschen; Bilder der ausgemergelten Körper schockieren die Welt. Allerdings ist die Authentizität von in sozialen Netzwerken verbreiteten Fotos nicht belegt. Am heutigen Montag ist nun endlich eine Hilfslieferung angekommen. Der Konvoi aus etwa 40 Lastwagen mit Nahrung und Medikamenten erreichte nach Angaben eines Sprechers des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) am Montag die Zufahrt zu der Stadt im Westen Syriens. Er wird aber längst nicht alle Probleme lösen.

Madaja ist nicht nur wegen der Unbarmherzigkeit der Kriegsführung, sondern auch wegen der Aussichtslosigkeit der Situation ein Symbol des Syrien-Konflikts. Mit dem Konvoi sollen Vorräte für mehrere Monate nach Madaja transportiert werden – denn der Kampf um die Stadt wird wohl weitergehen. Hilfsorganisationen verlangen von den syrischen Konfliktparteien zwar regelmäßigen Zugang zu Zivilisten, die durch Kämpfe eingeschlossen sind. Doch in vielen Fällen werden die Appelle ignoriert.

Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen wollte seine Hilfe ursprünglich schon am Sonntag nach Madaja bringen, doch offenbar dauerte es länger als erwartet, die Fahrt des Konvois durch die Linien von Belagerern und Verteidigern der Stadt zu organisieren. Nun hoffe man auf den Montag, sagte ein Sprecher des Internationalen Roten Kreuzes in Damaskus. In Madaja sollen sich tausende regierungsfeindliche Rebellen aufhalten, doch einige zehntausend Zivilisten sitzen mit ihnen in der Falle. Insgesamt leben rund 40 000 Menschen in der Stadt.

Seit fast einem halben Jahr haben Regierungstruppen und Kämpfer der mit Damaskus verbündeten Hisbollah-Miliz aus dem Libanon die Stadt umringt. Niemand darf die Stadt verlassen. Inzwischen sind fast alle in Madaja vorhandenen Vorräte aufgebraucht. Laut Medienberichten kostet ein Liter Milch in der Stadt heute rund 270 Euro. Einige Einwohner sollen Blätter von Bäumen gerupft und gekocht haben, um etwas zu essen zu haben.

Kinder weisen Hinweise auf Unterernährung auf

Die Bilder im Internet und Schilderungen der verzweifelten Suche der Menschen nach Nahrung in der Stadt haben die Weltöffentlichkeit aufgerüttelt. Teilweise haben die Einwohner von Madaja demnach Hunde und Katzen geschlachtet. Amnesty International zitierte einen Bewohner von Madaja mit der Aussage, in der Stadt seien „lebendige Skelette“ auf den Straßen zu sehen. Ein anderer sagte, er habe seine letzte volle Mahlzeit vor anderthalb Monaten gegessen.

Nach Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ sind seit dem 1. Dezember in Madaja mindestens 23 Menschen verhungert. Sechs Todesopfer waren Kleinkinder unter einem Jahr. Nach einem Bericht der britischen Zeitung „Independent“ schätzt ein Mitglied der Rettungsdienste in der Stadt, dass inzwischen täglich ein bis zwei Menschen in Madaja verhungern.

Die auf medizinische Hilfe für Syrien spezialisierte US-Organisation SAMS teilte mit, rund die Hälfte der 300 Menschen, die sich täglich im Krankenhaus von Madaja meldeten, seien Kinder unter zehn Jahren, von denen die meisten Symptome von Unterernährung aufwiesen. Die Organisation zitierte einen Arzt in Madaja mit den Worten, alle Vorräte im Krankenhaus seien erschöpft. Der letzte Hilfskonvoi kam im Oktober nach Madaja durch. Unter wachsendem internationalen Druck hatte die syrische Regierung am Donnerstag der Entsendung des neuen Konvois zugestimmt.

Gleichzeitig mit dem Hilfskonvoi für Madaja sollen die Ortschaften Al Fuah und Kafarya in der Nähe der türkischen Grenze im Nordwesten Syriens an diesem Montag lang erwartete Hilfe erhalten. Dort ist die Situation umgekehrt. Beide Orte werden von syrischen Rebellen belagert. Die Belagerung von Städten und Ortschaften, die zum Kriegsgegner halten, gehört seit Jahren zum Instrumentarium der Kriegsparteien in Syrien. Laut einem Bericht der BBC leben in Syrien insgesamt rund 400 000 Menschen in 15 eingeschlossenen Städten und haben dort keinen Zugang zu Hilfsgütern von außerhalb.

Auch Philip Luther von Amnesty International erklärte, die Situation in Madaja sei nur „die Spitze des Eisbergs“. Beide Seiten in dem Konflikt zwischen der Regierung von Präsident Baschar al Assad und regierungsfeindlichen Rebellen seien schuldig.

„Das Aushungern wird als Kriegswaffe eingesetzt“, kritisierte Luther. Beide Seiten spielten ohne jede Skrupel mit den Leben von mehreren hunderttausend Menschen.

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