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Dunkle Rauchwolken über einer zerstörten Häuserfront in der syrischen Stadt Aleppo. Um die Wirtschaftsmetropole wird seit Tagen erbittert gekämpft.

© dpa

Bürgerkrieg: Syrien bittet Russland um Finanz- und Wirtschaftshilfe

Die Wirtschaftssanktionen der EU und der USA zeigen offenbar Wirkung in Syrien: Das Assad-Regime muss seinen Verbündeten Russland um Hilfe bitten. Im UN-Sicherheitsrat herrscht derweil Streit darüber, wer für den Rückzug des Sondervermittlers Annan verantwortlich ist.

Die syrische Regierung steht wirtschaftlich offenbar mit dem Rücken zur Wand: Präsident Baschar Assad habe Russland um finanzielle Hilfe und Treibstofflieferungen gebeten, wie der stellvertretende syrische Ministerpräsident Kadri Dschamil am Freitagabend nach Gesprächen in Moskau sagte. Während die UN-Vollversammlung in New York mit überwältigender Mehrheit die anhaltende Gewalt in Syrien in einer Resolution verurteilte, arbeitet die Opposition nach eigenen Angaben an Plänen für die Zeit nach der Ära von Assad.

Die Wirtschaftssanktionen der EU und der USA zeigen offenbar Wirkung. „Wir erwarten Engpässe bei Diesel und anderen Öl-Produkten“, sagte der syrische Ölminister Said Masa Hanidi. Um die durch den Bürgerkrieg stark beanspruchten Finanzen des Landes aufzubessern, bat die Delegation um einen Kredit in Moskau. Russland wollen den Antrag prüfen, meldete die russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti. Beobachter gehen davon aus, dass Syrien seine geschätzten Währungsreserven in Höhe von 17 Milliarden Dollar bald aufgebraucht hat.

Die UN-Vollversammlung setzte derweil mit ihrer Resolution ein Zeichen gegen das Blutvergießen in Syrien und das „Unvermögen des UN-Sicherheitsrats“. In einer nicht bindenden Erklärung warfen die Mitgliedstaaten dem höchsten UN-Gremium vor, bislang nichts gegen die Eskalation der Gewalt erreicht zu haben.

Bilder: Tage der Entscheidung in Syrien

Die Regierung in Damaskus wurde in der Resolution unter anderem aufgerufen, Chemie- und Biowaffenbestände unter Verschluss. Verurteilt wurden zudem Angriffe syrischer Truppen, Milizen und Geheimdienstler auf Kinder im Alter von bis zu neun Jahren sowie der zunehmende Einsatz schwerer Waffen wie Panzer und Helikopter.

Die Resolution wurde von 133 der 193 UN-Mitgliedsstaaten angenommen. Zwölf Länder, darunter Russland und China, sprachen sich dagegen aus, 31 enthielten sich. Die von arabischen Staaten eingebrachte Resolution hatte ursprünglich eine Rücktrittsforderung an Assad sowie einen Aufruf zu Sanktionen gegen Damaskus enthalten.

Die beiden zentralen Punkte wurden jedoch nach Bedenken Moskaus und Pekings fallen gelassen. Russland und China hatten zuvor im Sicherheitsrat rechtlich bindende Resolutionen gegen die syrische Regierung mit ihrem Veto als ständiges Mitglied mehrfach blockiert.

Lage der syrischen Flüchtlingskinder dramatisch

Nach dem Rückzug des Syrien-Sonderbeauftragten Kofi Annan schwinden die Chancen für eine diplomatische Lösung des Konflikts. Wichtige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates beschuldigten sich gegenseitig, für das Scheitern von Annans Vermittlungsbemühungen verantwortlich zu sein. Trotzdem sucht die UN einen Nachfolger für Annan. Genannt wurde immer wieder der ehemalige finnische Präsident Mahti Ahtisaari. Der sozialdemokratische Politiker war für seine Bemühungen um die Lösung verschiedener internationaler Konflikte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.

Die USA gaben Russland und auch China eine Mitschuld am Rückzug Annans. Die Regierung in Moskau machte dagegen indirekt die internationalen Unterstützer der Regimegegner verantwortlich für das Scheitern Annans. Von deutschen Außenpolitikern werden die Chancen einer friedlichen Lösung des Konflikts unterschiedlich eingeschätzt. Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz (CDU) hält die Aussichten für gering. „Dazu müssten Russland und China ihre Politik ändern“, sagte er. „Aber so weit sind wir im Augenblick nicht.“ Dagegen erklärte Außenminister Guido Westerwelle (FDP), die deutschen Bemühungen um „den Einstieg in einen politischen Prozess“ gingen auch nach Annans Rücktritt weiter. Zugleich drängte er die syrische Opposition „dringend, zu größerer Einheit zu finden“.

Der Flüchtlingsstrom aus Syrien in die Nachbarländer schwillt unterdessen weiter an. Mehr als die Hälfte von ihnen sind nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef Kinder oder Jugendliche. „Die Not und Verzweiflung der Kinder im syrischen Bürgerkrieg sind dramatisch“, sagte Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef Deutschland, am Freitag in Köln. Die Konfliktparteien forderte er auf, Schutz und Hilfe für die Zivilbevölkerung sicherzustellen.

Schätzungsweise zwei Millionen Syrer seien inzwischen unmittelbar von Gewalt betroffen, erklärte Unicef. Helfer berichteten von einem starken Zustrom von Kindern und Familien über die Grenzen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), zeigte sich nach einem Besuch von Flüchtlingslagern in Jordanien „erschüttert“ über die Lage der geflohenen Syrer.

In Syrien gingen die erbitterten Kämpfe weiter. „In Aleppo sehen wir einen bemerkenswerten Aufbau von militärischem Gerät, der uns glauben lässt, dass der Hauptkampf kurz bevorsteht“, sagte UN-Untergeneralsekretär Hervé Ladsous. Nach Angaben von Regimegegnern sollen syrische Regierungstruppen in der zentralsyrischen Stadt Hama ein Massaker verübt haben. Unter den 62 Opfern seien auch Frauen und Kinder, teilten Oppositionsvertreter mit. In Damaskus stürmten Regierungstruppen die letzte Rebellen-Hochburg

(Tsp/dapd, AFP, dpa)

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