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Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan

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Update

Bürgermeister von Ankara kritisiert Bundesrepublik: Türkische Drohung an Deutschland

Neue Zuspitzung im Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei: Ein wichtiger Parteifreund von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warnt, Deutschland solle sich vorsehen.

Melih Gökcek ist immer für eine scharfe Formulierung gut. Die Türken sind es vom Bürgermeister der Hauptstadt Ankara gewohnt, dass er rhetorisch auf die Pauke haut. Aus Protest gegen eine angebliche westliche Einmischung in die regierungsfeindlichen Unruhen der vergangenen Wochen hatte Gökcek, Mitglied der Regierungspartei AKP von Premier Recep Tayyip Erdogan, auf Twitter einen Feldzug gegen den US-Sender CNN geführt. Nun nimmt er sich Deutschland zur Brust. Er werde eine Kampagne gegen die Bundesrepublik starten, kündigte er im Fernsehsender TGRT an. „Deutschland sollte sich vorsehen.“

Ob er auch an eine Twitter-Kampagne mit Unterstützung der in Deutschland lebenden Türken denkt, sagte Gökcek nicht. Er rief aber alle Türken auf, den Umgang mit Twitter zu lernen, und betonte: „In Deutschland leben 3,5 Millionen Türken.“ Als Beispiel für eine angebliche Einmischung Deutschlands in die türkischen Unruhen verwies er auf den deutschen Pianisten Davides Martello, der am Istanbuler Taksim-Platz Klavier gespielt hatte. Damit habe Martello versucht, die Bevölkerung „aufzuhetzen“.

Gökcek fällt seit Wochen mit ganz besonders radikalen Kommentaren zu den Unruhen auf, die nach Ansicht der Erdogan-Regierung unter anderem von Türkei-feindlichen Mächten im Ausland organisiert worden sein sollen. In dem TGRT- Interview forderte Gökcek unter anderem ein Verbot der säkularen Oppositionspartei CHP, die er als Drahtzieherin der Proteste bezeichnete.

Möglicherweise spielen bei Gökceks Verbalattacken die Wahlen im März eine Rolle: Der 64-Jährige will sich um eine fünfte Amtszeit bewerben. In den vergangenen Tagen beschimpfte Gökcek eine BBC-Journalistin als Agentin, weil diese zu regierungsfeindlichen Aktionen aufgerufen habe. In Wirklichkeit hatte sie per Twitter über Forderungen von Demonstranten berichtet. Dennoch wurde Gökceks Kritik an der Reporterin von Erdogan aufgegriffen. Die Regierung will die Vorschriften für Twitter verschärfen.

Vergangene Woche hatte der EU-Minister Egemen Bagis die Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel wegen ihrer Kritik am Vorgehen der türkischen Polizei angegriffen und damit diplomatische Verstimmungen ausgelöst.

Nach der Einigung mit der EU auf eine Fortsetzung der Beitrittsgespräche Anfang der Woche hatte die Erdogan-Regierung ihr Interesse an einer Entspannung der Beziehungen zu Europa bekundet. Wirtschaftsminister Zafer Caglayan sagte, die Ablehnung der türkischen EU- Bewerbung durch Merkel erfordere eine Antwort, die „im Rahmen der Höflichkeit“ bleiben müsse.

Gleichzeitig gibt es aber Berichte über einen zunehmenden Druck der Sicherheitskräfte. So sagte der Anwalt der Familie des von einem Polizisten getöteten Demonstranten Ethem Sarisülük der Zeitung „Hürriyet“, zwei Zeugen der tödlichen Schüsse seien festgenommen worden. Offenbar sollten Zeugen eingeschüchtert werden. Der Polizist, der den tödlichen Schuss abfeuerte, war dagegen auf freien Fuß gesetzt worden.

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