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Politik: Bürgerversicherung ja – aber welche?

Die Grünen haben noch kein klares Konzept – doch einer ihrer Sozialexperten hat sich bereits festgelegt

Berlin - Auf der Suche nach einem gemeinsamen Konzept für die Bürgerversicherung stehen den Grünen noch Kontroversen bevor. Für Unmut in der Fraktion sorgte ein Vorstoß des Sozialpolitikers Markus Kurth, der am Freitag gemeinsam mit grünen Landespolitikern und Vertretern der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend mit einem ersten Papier voranpreschte, das zumindest in Teilen nicht der mehrheitlichen Linie entspricht. „Das war keine hilfreiche Aktion“, hieß es in der Fraktion. Am Dienstag wollen die Abgeordneten in der Fraktionssitzung über das Thema debattieren, eine Abstimmung ist jedoch noch nicht geplant. Kurth rechtfertigte sich, er habe „ein paar Pflöcke einschlagen“ wollen, um die Debatte zu öffnen.

Bis Herbst wollen SPD und Grüne an Konzepten für eine Bürgerversicherung arbeiten. Die groben Linien sind klar: Alle sollen einbezogen werden, Beiträge sollen nicht nur auf das Arbeitseinkommen, sondern auch auf Kapitaleinkünfte fällig werden. Je mehr es jedoch ins Detail geht, desto komplizierter und kontroverser wird die Debatte.

Strittig bei den Grünen ist zum einen, ob die Einkommensgrenze angehoben werden soll, bis zu der Beiträge entrichtet werden. Der Sozialpolitiker Kurth spricht sich dafür aus, die Grenze von derzeit 3487,50 auf 5150 Euro anzuheben, „weil das gerechter ist“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Dadurch, dass Vermögende mehr zahlen müssten, ließen sich zudem die Krankenkassenbeiträge deutlich senken. „Das macht einen Prozentpunkt aus.“ Die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Biggi Bender, fürchtet jedoch, dann die Akzeptanz für die Bürgerversicherung in der Bevölkerung zu verlieren. Außerdem würden dadurch die Lohnnebenkosten für gut bezahlte Jobs steigen.

Keinen Konsens gibt es zudem bei der Frage, wie die Arbeitgeber beteiligt werden. Bender regte an, bei der Umstellung auf die Bürgerversicherung den Arbeitgebergeberbeitrag an die Arbeitnehmer auszahlen zu lassen, gewissermaßen als zusätzlichen Lohn. „Dann wird die Gesundheit vom Arbeitsmarkt abgekoppelt“, sagte die Grünen-Politikerin dem Tagesspiegel. Dagegen wehrt sich ihr Fraktionskollege Kurth, der an der hälftigen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge festhalten will. „Die Arbeitgeber müssen beteiligt werden, damit sie nicht das Interesse am System verlieren“, sagt er.

Grünen-Fraktionsvize Thea Dückert warnte vor einem „Schnellschuss“ bei der Bürgerversicherung. Durch Kurths Vorstoß gerät die Arbeitsgruppe nun aber unter Zugzwang. Für die Fraktionssitzung am Dienstag will Dückert ebenfalls ein Diskussionspapier vorlegen, – als „Entscheidungshilfe“, wie sie sagt. In der Fraktionsspitze gibt es Vorbehalte, zu früh mit einem unausgegorenen Konzept an die Öffentlichkeit zu gehen. Mit Skepsis beobachten Grünen-Politiker ohnehin, mit welchem Tempo die zuständige Arbeitsgruppe der SPD ihr Konzept für die Bürgerversicherung vorantreibt. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass ein gemeinsames Modell für eine rot-grüne Bürgerversicherung nur schwer zu finden ist.

Unterdessen will CDU-Chefin Angela Merkel ihr Reformkonzept wegen Kritik aus der CSU angeblich überarbeiten. Zwar soll es laut „Spiegel“ bei der einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie bleiben. Die Arbeitgeber sollten aber stärker belastet werden als geplant.

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