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Bulgarien: Bericht und Wirklichkeit

EU veröffentlicht Papier zu Bulgariens Reformbemühungen im Bereich Justiz und Inneres.

„Der nächste EU-Bericht wird unser Land milder beurteilen“, hoffte Bulgariens auflagenstärkste Tageszeitung „Trud“ bereits Ende letzter Woche. In diesen Worten hallte die Schmach über das äußerst harsch ausgefallene Zeugnis des letzten Evaluationsberichts der Europäischen Kommission vom Juli 2008 deutlich nach, als das Land nur knapp Sanktionsmaßnahmen entgangen war.

Nun enthält sich der aktuelle EU-Bericht ausdrücklich aller Werturteile über Fortschritte und Versäumnisse des Landes im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. Das Papier versteht sich lediglich als Dokumentation eingeleiteter beziehungsweise unterbliebener Maßnahmen. Es würdigt unternommene Schritte bei der Reform des Justizwesens und die Ermittlungsarbeit der Nationalen Agentur für Staatliche Sicherheit (DANS) und verweist gleichzeitig auf weiterhin fehlende Gerichtsurteilte gegen korrupte Staatsbeamte und Kriminelle.

Trotz seines „technischen“ Charakters interpretierten ihn Regierungsvertreter und Oppositionspolitiker gemäß ihrer jeweils eigenen parteipolitischen Sicht. Ministerpräsident Sergej Stanischev will ihn als klare Anerkennung „der Anstrengungen und Resultate der bulgarischen Behörden auf dem Gebiet des Rechts“ und „ermutigendes Signal, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen“, verstanden wissen. Dagegen wertet Ivan Kostov, früherer Ministerpräsident und Parteiführer der rechtsgerichteten Demokraten für ein Starkes Bulgarien (DSB), den Bericht als „definitive Verurteilung“. Die Verhältnisse könnten sich erst dann ändern, wenn das von ihm angestrengte Misstrauensvotum gegen das Kabinett Stanischev Erfolg habe, sagte er. Davon ist indes kaum auszugehen, verfügt die regierende Dreierkoalition aus Sozialisten, Zaristen und Türken doch noch immer über eine breite Mehrheit in der bulgarischen Volksversammlung. So bezweifeln viele Kommentatoren den Sinn des mittlerweilen siebten Misstrauensvotums, da bereits für Juni reguläre Parlamentswahlen angesetzt sind.

Eine deutlichere Sprache zur Situation in Bulgarien gut zwei Jahre nach dem EU-Beitritt des Landes als der Brüsseler Bericht sprechen die tagesaktuellen Ereignisse im zeitlichen Umfeld seiner Veröffentlichung. Am vergangenen Freitag wurde der ehemalige Polizist Slatomir Ivanov alias Slatko Baretata (Slatko, das Barett) unter großer Anteilnahme der medialen Öffentlichkeit verhaftet. Er gilt seit Jahren als führende Figur im nationalen Drogenhandel. Auch wird ihm Beteiligung an mehreren Auftragsmorden nachgesagt. Einen Tag danach wurde ein 22-jähriger Drogenhändler auf offener Straße erschossen. Es war dies der dritte derartige Mord seit Anfang des Jahres.

Und am gestrigen Donnerstag, dem Tag der Veröffentlichung des EU-Berichts schließlich gab die Chefin des Nationalen Finanzamts, Maria Murgina, ihren Rücktritt bekannt, nachdem ihr zuvor der Parlamentsabgeordnete Jane Janev Beteiligung an Steuerhinterziehung in großem Maßstab vorgeworfen hatte.

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