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Bulgarien: Mord im Milieu

In Bulgarien wurde ein populärer Journalist ermordet. Er hatte ein Buch über die Mafia veröffentlicht – und sich seiner Kontakte gerühmt.

„Nein, ich bereue nichts“, lautet der Refrain eines populären Chansons und das Vermächtnis des am Dienstag im Zentrum der bulgarischen Hauptstadt Sofia erschossenen Bobi Zankow. Auf dem Weg zu seinem Rechtsanwalt wurde der 31-jährige Radio- und TV-Moderator am Dienstagmittag am belebten Boulevard Alexander Stamboliski von zwei Männern mit vier Schüssen aus 9-Millimeter-Pistolen getötet. Seine beiden Leibwächter kamen mit Schussverletzungen davon.

Er könne zwar nicht sagen, ob er stolz auf sein stürmisches Leben in der Unterwelt sei, bereuen würde er aber nichts, bekannte Zankow Mitte November in der TV-Talkshow „Goreschto“ („Heiß“). Dabei hat er sich in den letzten Jahren durch zweifelhafte Radio- und TV-Gewinnshows nicht weniger als 72 Betrugsanzeigen, eine Menge Feinde und mehrere Anschläge auf sein Leben eingehandelt.

Seit er vor zwei Monaten sein Buch „Die Geheimnisse der Mutri“ veröffentlichte, war Zankow durch „Enthüllungsartikel“ und Interviews in den Medien omnipräsent. Als „Mutri“ („Schläger“) werden in Bulgarien zumeist schwarz gekleidete Vertreter der Unterwelt bezeichnet, die ihr durch Glücksspiel, Drogenhandel und Prostitution illegal erworbenes Vermögen bevorzugt in Branchen wie Gastronomie, Bau und Tourismus investieren. Zankow brüstete sich guter Kontakte zu einer Reihe legendärer, allesamt unfreiwillig aus dem Leben geschiedener „Mutri“ wie Anton Miltenow, Konstantin Dimitrow und Iwan Todorow, genannt „Doktora“. Zwar habe er sich an ihren kriminellen Taten nicht beteiligt, doch hätten sie ihn als Freund in ihren Reihen akzeptiert und sich nicht gescheut, „in meiner Gegenwart offen zu sprechen“, sagte Zankow in seinem letzten TV-Interview.

Inwieweit Zankows Aussagen der Wahrheit entsprechen oder lediglich Sensationsgeheische aus kommerziellem Antrieb waren, ist umstritten. Sein fatales Schicksal, das dem des im April 2008 ermordeten „Chronisten der Mafia“, Georgi Stoew, auffallend ähnelt, deutet jedoch darauf hin, dass er mit seinem Mitteilungsdrang gewisse Leute empfindlich gestört hat. Die Ermittlungsbehörden schließen aber auch andere Tatmotive nicht aus, wie Grabenkämpfe der Drogenmafia.

Mitte November hatte Bobi Zankow der Polizei angezeigt, dass der als Drogenhändler geltende Stefan Bonew ihn wegen seiner Äußerungen zu dem 2003 spurlos verschwundenen Gangster Metodi Metodiew persönlich bedroht habe. Obwohl Bonew direkt nach Zankows Tod beteuerte, mit ihm „nichts zu tun“ zu haben, wurde er am Dienstagnachmittag ebenso vorläufig festgenommen wie Krassimir Marinow. Der als „der große Margin“ bekannte Marinow zählt mit seinem kleinen Bruder zu den prominentesten bulgarischen „Mutri“. Seit 2005 läuft gegen sie ein Prozess wegen des Vorwurfs dreier Mordversuche, unter anderem gegen den mutmaßlichen Zigarettenschmuggler Iwan Todorow.

„Nach den letzten guten Polizeioperationen haben wir erwartet, dass so etwas passieren könnte“, lautete die Stellungnahme von Innenminister Zvetan Zvetanow zu dem Attentat auf Zankow. Weil sich die Kriminalität kurz vor Weihnachten häufte, hatte die Staatsgewalt mit einer Verhaftungswelle reagiert und 27 angebliche Mitglieder einer von Zvetanow als „Naglite“ („Die Frechen“) bezeichneten „Entführerbande“ festgenommen. Obwohl der Innenminister ausführte, die gesammelten Indizien reichten aus, um die Inhaftierten „vor jedem europäischen Gericht“ zu verurteilen, wurden 22 von ihnen am nächsten Tag wieder auf freien Fuß gesetzt.

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