zum Hauptinhalt

Politik: Bulgarien und Rumänien droht die gelb-rote Karte

Die EU will die Aufnahme der Länder um ein Jahr verschieben, wenn sie nicht die Korruption bekämpfen

Von Michael Schmidt

Berlin - Bulgarien und Rumänien wollen raus aus dem Abseits und rein in die Europäische Union. Nachdem 2004 die Ost-Erweiterung der EU ohne die beiden erfolgt war, ist ihr Beitritt nun seit April dieses Jahres zwar vertraglich vereinbart worden, aber der Zeitpunkt der Aufnahme weiter offen: Zunächst müssen beide Länder ihre Hausaufgaben erledigen. Die EU behält sich vor, den avisierten Termin – 1. Januar 2007 – um ein Jahr zu verschieben, sollten die Aufnahmekriterien nicht erfüllt werden. Und EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, der dem EU-Parlament seinen neuesten Fortschrittsbericht vorlegte, sah sich am Dienstag gezwungen, seine Kritik am erlahmten Reformtempo in Bulgarien und Rumänien zu erneuern.

„Das ist die dunkelgelbe Karte für beide Länder“, sagt Johanna Deimel von der Südosteuropa-Gesellschaft in München. Jetzt bleibe ihnen noch eine „Galgenfrist“, um „endlich erkennbare Fortschritte zu erzielen“. Beiden Ländern bescheinigte Rehn zwar, die politischen Kriterien für einen Beitritt zu erfüllen. Fortschritte seien aber bei der Achtung der Menschenrechte nötig. Beklagt wird vor allem die Korruption auf allen Ebenen von Politik und Wirtschaft. „Das Krebsgeschwür der Korruption reicht von kleinen Aufmerksamkeiten bis zur Großkorruption, vom Privatmann bis zum Minister“, sagt Deimel. Die EU-Kommission fordert deshalb mit Nachdruck Reformen im Justizsystem, bei der Verwaltung, eine Verbesserung der Grenzkontrollen und durchschaubare Systeme zur Auszahlung von EU-Agrarbeihilfen. Probleme gebe es auch beim Umweltschutz, im Kampf gegen Menschenschmuggelund bei der Integration der Roma-Minderheiten.

Bulgarien galt bei EU-Vertretern lange als deutlich besser auf den Beitritt vorbereitet als Rumänien. In dem neuesten Bericht spiegelt sich dies nicht mehr wider. Den Hauptgrund dafür sieht Bulgarien-Expertin Deimel in dem wochenlangen Ringen um eine Regierungsbildung Mitte des Jahres. Über Monate erfolgten keine für den EU-Beitritt notwendigen politischen Entscheidungen, „das Land wurde in seinen Reformen deutlich zurückgeworfen.“ Die Rumänien-Expertin Anneli Ute Gabanyi von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin fügt hinzu: „Bulgarien steht nun, wie auch am Beispiel Bruttoinlandsprodukt und soziale Indikatoren abzulesen ist, sichtbar schlechter da als Rumänien.“

Sicher: Rumänien habe zum Teil größere Probleme. Rumänien sei aber eben auch viel größer. „Das Land wird künftig auf einer Länge von 1500 Kilometern die Außengrenze der EU bilden“, sagt Gabanyi. „Eine problematische Außengrenze: zu Serbien-Montenegro, zur Republik Moldau, zur Ukraine.“ Um die zu sichern brauche es Geld und ausgebildete Leute. Beides gebe es nur in der Zusammenarbeit mit Brüssel. Wegen der aktuellen Probleme den Beitritt ein weiteres Mal zu verschieben, wie das die konservative Fraktion des EU-Parlaments fordere, hielte Gabanyi deshalb für falsch. Jetzt, womöglich wegen der kritischen Stimmung nach den gescheiterten Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden, eine größere Strenge an den Tag zu legen, als bei den anderen Beitrittsländern Osteuropas „ist weder korrekt noch fair, sondern kontraproduktiv“, sagt Gabanyi. Da der Beitritt an sich ja feststehe, würde eine Verschiebung des Beitritts um ein Jahr die Regierungen kaum zu größeren Reformanstrengungen anspornen.

Zur Startseite