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Bulgarien: Verbrecher im Ministerium des Innern

Seit zwei Monaten halten Innenministerium und Staatsanwaltschaft die bulgarische Bevölkerung mit groß angelegten Verhaftungsaktionen in Atem. Diese tragen von Innenminister Zvetan Zvetanov mit Bedacht ausgewählte Namen und werden zumeist dokumentiert von polizeieigenen Kamerateams.

Mitte Dezember ging der Staatsgewalt eine angebliche freche Entführerbande ins Netz und vor zwei Wochen klickten im Rahmen der Operation Oktopus bei dem früheren Geheimagenten Alexei Petrov die Handschellen. Er fungierte bis zum August 2009 noch als Berater der Staatlichen Agentur für Nationale Sicherheit (DANS), nun wird ihm vorgeworfen, seit über zehn Jahren eine kriminelle Vereinigung angeführt zu haben, zu deren Metier Erpressung, Förderung der Prostitution, Geldwäsche und Steuerhinterziehung gehört haben sollen.

In Bulgariens an schillernden Figuren reicher zwanzigjähriger Übergangsperiode vom Sozialismus zur Marktwirtschaft ist Alexei Petrov alias „der Traktor“ eine der auffälligsten und geheimnisvollsten Gestalten. Nach seinem Ausscheiden aus einer Antiterroreinheit des Innenministeriums 1992 gründete er zunächst die Wachgesellschaft Atlas und 1994 das Unternehmen Apollo & Bolkan, aus dem später mit Lev Ins eine der größten Versicherungen des Landes hervorgehen sollte. Sein früherer Partner Slatomir Ivanov-Baretata sitzt seit Februar 2009 unter dem Verdacht des Kokainhandels in U-Haft. Im März 2002 wurde auf den „Traktor“ ein Mordanschlag verübt.

Petrov ist ein alter Bekannter und Karatebruder von Ministerpräsident Boiko Borissov, Mitte der 90er Jahre waren beide Partner in der gemeinsamen Firma Budoinvest. So vermuten manche, mit der Verhaftung Petrovs würden alte private Rechnungen mit Borissov beglichen. „Gangster schlagen andere Gangster nach Gangsterart“, kommentierte etwa die Sozialistin Tatjana Dontscheva die Operation Oktopus. Borissov weist dies als „Hirngespinste“ zurück.

Als im Frühjahr 2008 bekannt wurde, dass Alexei Petrov im Dezember 2006 den sozialistischen Innenminister Rumen Petkov mit den als kriminell geltenden „Businessmen“ Plamen Galev und Angel Hristov zusammengebracht hatte, musste Petkov seinen Hut nehmen. Bis heute aber blieb der Inhalt von Petkovs Gesprächen mit den beiden geheim. Dass Ende Oktober 2009 Petrov Ministerpräsident Borissov einen DANS-Bericht über angeblich korrupte Machenschaften des Kabinetts von Sergej Stanischev übergab, bezeichnete Borissov damals als Tat eines „loyalen Bürgers“.

Seit Petrovs Verhaftung als mutmaßliches Hirn der „Oktopusse“ wird um die Verantwortung für seine Berufung 1999 gestritten. Ministerpräsident Boiko Borissov muss sich fragen lassen, wie ihm als für Verbrechensbekämpfung Zuständiger im Innenministerium von 2001 bis 2005 Petrovs angeblich kriminelle Machenschaften verborgen bleiben konnten.

22 der 25 festgenommenen „Frechen“ und sieben der neun „Oktopusse“ haben die Gerichte aus Mangel an Beweisen bereits wieder laufen lassen. Beim Innenminister weckte dies den Verdacht, auch Richter könnten Kontakte zu den Verbrechern haben. Sollte „Oktopus“ vor Gericht scheitern, könnte Borissovs Minderheitskabinett wackeln.

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