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Der ehemalige bulgarische Regierungschef Boiko Borissow.

© rtr

Bulgarien: Watergate in Sofia

In zwei Wochen stimmen die Bulgaren über ein neues Parlament ab. Der Wahlkampf wird von einer Abhöraffäre schwer belastet.

Während ihrer gesamten Regierungszeit vom Juli 2009 bis zum März 2013 wurden der bulgarischen Regierung von Boiko Borissow von der Opposition stets Methoden vorgeworfen, wie man sie sonst nur aus dem Gangstermilieu kennt. Nun werden fast jeden Tag neue Enthüllungen bekannt, die diesen Vorwurf zu bekräftigen scheinen. Es geht um eine als „Bulgariens Watergate“ bekannt gewordene Abhöraffäre, die den Wahlkampf vor der vorgezogenen Abstimmung für ein neues Parlament am 12. Mai schwer belastet. Jüngster Höhepunkt von „Bulgariens Watergate“: Der Staatsanwalt der Hauptstadt Sofia, Nikolaj Kokinow, reichte am Freitag seinen Rücktritt ein.

Grund für den Rücktritt war ein abgehörtes Gespräch zwischen Staatsanwalt Kokinow, dem zurückgetretenen Regierungschef Borissow und Ex-Agrarminister Miroslaw Najdenow. In dem Telefonat, das ein Mitarbeiter der Abhörbehörde anonym mehreren Medien zuschickte, erörtern die drei Männer Details einer Ermittlung, die wegen Korruptionsverdachts aktuell gegen den früheren Agrarminister läuft. Der Tonfall des Gesprächs wurde von Kommentatoren durchweg als „vulgär und zynisch“ bezeichnet. Die drei Männer diskutierten Möglichkeiten, wie das gegen Najdenow laufende Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsvorwürfen beendet werden könne.

Am Tag vor dem Rücktritt von Sofias Staatsanwalt hatte der ehemalige Landwirtschaftsminister Najdenow behauptet, dass der frühere Innenminister Tsvetan Tsvetanow alle Minister des Kabinetts und sogar Staatspräsident Rossen Plevneliew illegal abgehört habe. Mit seiner Behauptung bestätigte Najdenow Anschuldigungen, die Ende März vom sozialistischen Ex-Ministerpräsidenten Sergej Stanischew erhoben worden waren. Nach den Worten Stanischews sollen Fahrzeuge mit mobiler Abhör- und Überwachungstechnik im Einsatz sein, um auf Veranlassung Tsvetanows Politiker und Unternehmer auszuspionieren. „Während meiner Amtszeit habe ich mich immer nur von der Herrschaft des Rechts leiten lassen“, antwortete Tsvetanow auf Naidenows Abhörvorwurf und machte „die lange Hand der Sozialisten“ verantwortlich für eine gegen ihn gerichtete Kampagne vor den Parlamentswahlen.

Bereits im Frühjahr 2011 waren die Aufnahmen abgehörter Gespräche veröffentlicht worden, in denen der damalige Ministerpräsident Borissow den Chef der Zollagentur anwies, eine Ermittlungsaktion in der Bierfabrik von „Mischo Birata“ abzubrechen, weil er ein entsprechendes Versprechen abgegeben habe. Bis heute wurden weder die Urheber der Abhöraufnahmen identifiziert, noch wurde die Rechtmäßigkeit der Einflussnahme des Regierungschefs geklärt. Während Borissow heute erklärt, dass Tsvetanow „solche Sachen sicherlich nicht getan“ habe, verteidigte er in der Affäre um die Bierfabrik das Belauschen von Ministern und Behördenchefs: „Wer als Premier zu allen seinen Ministern Vertrauen hat, wurde noch immer getäuscht“, sagte er.

Der ehemalige Innenminister Tsvetanow weilte am vergangenen Freitag auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. „Bulgarien hat eines der niedrigsten Haushaltsdefizite in Europa“, erklärte er dabei in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU). Wie die Diskussion der konservativen Parteikollegen aus Deutschland mit Tsvetanow über dessen Verwicklung in „Bulgariens Watergate“ verlief, wurde zunächst nicht bekannt.

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