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Bulgarische Krankenschwestern: Geheimwaffe Cecilia

Die Rückkehr der Krankenschwestern ist für Bulgarien ein Feiertag – und für den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ein Triumph. Seine "Geheimwaffe": Präsidentengattin Cécilia. Frankreich diskutiert die Rolle der First Lady auf diplomatischem Parkett.

Mehr als acht Jahre hat Ivailo Nikoltschowski gewartet. Und dann hat der 34-Jährige noch eine lange Nacht auf dem Sofioter Flughafen ausgeharrt. Nun aber kann der Bulgare seine Ungeduld kaum mehr bezähmen. „Worte werden nicht nötig sein. Ich will sie nur umarmen“, sagt er, während er auf dem Rollfeld dem Wiedersehen mit seiner Mutter Sneschana Dimitrowa entgegenfiebert.

Merkwürdig ruhig wirkt Bulgariens Hauptstadt Sofia, als mit der Landung der Maschine aus Tripolis am Dienstagmorgen um 9 Uhr 51 die libysche Odyssee der fünf Krankenschwestern und des palästinensischen Arztes endlich ein glückliches Ende findet. Der Handel in den Geschäften und auf den Märkten ruht, der Verkehr steht nahezu still. Vor den Fernsehschirmen in Cafes und Schaufenstern bilden sich Menschentrauben. Atemlos verfolgt das ganze Land, wie die gealtert wirkenden Frauen, geblendet von der Morgensonne, müde, aber glücklich aus dem Flugzeug steigen. Mit Blumen in den Händen und Freudentränen in den Augen stürmen die Angehörigen auf ihre Mütter, Frauen und Schwestern zu.

Sie könne noch immer nicht fassen, wieder auf bulgarischem Boden zu stehen, stammelt tränenüberströmt die 48-jährige Kristijna Waltschewa: „Nun kann ich endlich wieder zu meinem früheren Leben zurückkehren.“ Strahlend trägt ein Mann eine der Heimkehrerinnen auf den Armen von der Landebahn.

Die bulgarischen Zeitungen waren am Dienstag so veraltet wie selten: Sie vermeldeten noch eine Fortsetzung des Dramas mit ungewissem Ausgang. Während darin zu lesen ist, dass Libyen neue Forderungen zur Freilassung der Krankenschwestern stelle, erholten sich die Frauen schon in der ehemaligen Residenz Todor Schiwkows im Sofioter Nobelvorort Boyana von den Strapazen ihrer Haft.

Unmittelbar nach der Ankunft verkündete Außenminister Ivailo Kalfin die offizielle Begnadigung der Heimkehrer durch den bulgarischen Staatspräsidenten. „Dies ist ein großer Moment für die EU und Bulgarien“, sagt die französische Präsidentengattin Cecilia Sarkozy. Die Freilassung sei durch die „gemeinsamen Bemühungen“ der EU ermöglicht worden, betonte derweil die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner. Die EU könne nun die Beziehungen der EU zu Libyen vertiefen.

Als die heute 54-jährige Sneschana im August 1998 ihre Heimat zum Arbeitseinsatz im Kinderkrankenhaus von Benghasi verließ, galt Libyen noch als Schurkenstaat – und herrschte beim heutigen EU-Mitglied Bulgarien bittere Not. Die Aussicht auf ein zehn Mal so hohes Gehalt hatte die im bulgarischen Balkangebirge geborene Krankenschwester genauso wie hunderttausende von Landsleuten zum Verlassen ihrer verarmten Heimat veranlasst. Ihr Arbeitseinsatz währte nicht einmal ein halbes Jahr, dann wurde die zweifache Mutter im Februar 1999 gemeinsam mit 22 weiteren bulgarischen Krankenhausmitarbeitern verhaftet. Gegen sechs von ihnen wurde später der Prozess eröffnet. Der Vorwurf: Im Auftrag des CIA sollten sie Kinder mit dem Aidsvirus infiziert haben. Und dann das Todesurteil.

Erst nach Auszahlung eines „Blutgelds“ von einer Million Dollar pro Kind erklärten sich die Familien zum Verzicht auf den Vollzug der Todesstrafen bereit. Libyens oberster Justizrat wandelte diese in lebenslange Haftstrafen um, auf diplomatischem Weg wurde dann die Freilassung erreicht.

Der spektakuläre Heimflug der bulgarischen Krankenschwestern in einer französischen Regierungsmaschine schafft die Voraussetzungen für ein Treffen des französischen Präsidenten mit dem libyschen Staatschef Muammar al Gaddafi. Dabei geht es um viel: Sarkozys Idee einer Mittelmeerunion, Zugang zum libyschen Öl, Milliardenaufträge für die französische Industrie und – so wispert man in Paris – den Verkauf moderner Waffen. Als nächstes will sich Frankreich offenbar für die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in Birma einsetzen, wie die französische Menschenrechtsbeauftragte Rama Yade am Dienstag mitteilte.

Es geht bei alledem auch um Sarkozys Stellung als Weltpolitiker. Frankreich ist wieder wer in Europa und Sarkozy hat in Nordafrika wieder das Steuer in die Hand genommen, verkünden regierungsnahe Pariser Medien. Die Opposition sieht Sarkozy dagegen nicht als politischen Führer, sondern als Gaukler in einer Politshow. Er betreibe eine „Politik des Kuckucks“, erklärt der sozialistische frühere Europaminister Pierre Moscovici: „Sie wissen schon: Ich lege meine Eier in die Nester der anderen.“ In diesem Fall hätten erst die Briten und dann die Deutschen viel Arbeit geleistet.

Eine Feuertaufe war der Libyeneinsatz für Sarkozys diplomatische Geheimwaffe Cécilia. Die vielsprachige Präsidentengattin, die einst als Model über den Laufsteg schritt, soll Frankreich international ins Rampenlicht stellen. Der „Figaro“ stilisiert Cécilia Sarkozy bereits zur „neuen Lady Di“, deren „Bild um die Welt“ gehe.

Düpiert muss sich Außenminister Bernard Kouchner fühlen, der völlig ausgeschaltet war. Bei politischen Verhandlungen habe „die Frau des Präsidenten keinerlei Legitimität“, bemängelt denn auch die Straßburger Zeitung „Les Dernières Nouvelles d'Alsace“. Sarkozy reagiert schroff: „Wir haben ein Problem gelöst. Punkt. Es gibt nichts über eine neue Organisation der französischen Diplomatie oder den Status der Gattin des Staatschefs zu theoretisieren.“ (mit dpa und AFP)

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