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Heimatlos: Die frühere Konkurrenz hat wenig Lust, die demnächst unversicherten Kunden der Pleitekasse City BKK aufzunehmen. Immer häufiger fühlen sich gesetzliche Krankenversicherer gezwungen, kranke und ältere Menschen möglichst fernzuhalten.

© dapd

Politik: Bundesamt bestellt Kassenvorstände ein

Nach der Pleite der City BKK: Aufsicht droht mit Sanktionen wegen Abweisung von Versicherten

Berlin - Der CDU-Politiker Jens Spahn hat Krankenkassen, die Versicherte der insolventen City BKK abweisen, mit scharfen Sanktionen gedroht. „Das kann bis zur persönlichen Haftung der Vorstände gehen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion dem Tagesspiegel. Das Bundesversicherungsamt (BVA) teilte mit, dass es Kassenvorstände wegen der Weigerung, City- BKK-Versicherte aufzunehmen, für nächste Woche  einbestellt habe. Dabei handle es sich um zwei oder drei Fälle, sagte Behördensprecher Tobias Schmidt. Sollten sich Kassen beharrlich weigern, kann die Aufsicht notfalls den Vorstand entfernen.

Ein Sprecher des neuen Gesundheitsministers Daniel Bahr (FDP) nannte die Abweisung von Versicherten „unerhört und rechtswidrig“. In einem Telefonat forderte Bahr den Spitzenverband der Kassen auf, alles zu tun, um „für einen reibungslosen Versichertenübergang zu sorgen“. Verbandschefin Doris Pfeiffer. sagte, sie erwarte, dass jede gesetzliche Kasse „selbstverständlich alle, die bei ihr Mitglied werden möchten, mit offenen Armen aufnimmt. Alles andere wäre unsolidarisch und unakzeptabel.“

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bezeichnete es als „verheerend fürs Solidarsystem“, dass einzelne Kassen Versicherte der City BKK abweisen. „Jetzt sendet auch schon die gesetzliche Krankenversicherung das Signal aus, dass sie Ältere, Kranke und Behinderte nicht will“, sagte Lauterbach. Das sei „ein Armutszeugnis“. Die Kassen versuchten, Zusatzbeiträge zu verhindern und beurteilten jeden neuen Versicherten danach, ob er das Risiko verstärke, diese einzuführen.

Auch die Linkspartei äußerte heftige Kritik. „Wir erleben gerade das Ergebnis einer verfehlten Gesundheitspolitik, die sich als Wettbewerbspolitik versteht und nicht als soziale Daseinsvorsorge“, sagte deren Gesundheitsexperte Harald Weinberg. Mit seiner Politik habe der ehemalige Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) die Krankenkassen „gnadenlos dem Markt ausgeliefert“. Man brauche sich nicht zu wundern, wenn die Kassen dann versuchten, unerwünschte Versicherte abzuwimmeln.

Die Barmer GEK, die sich zusammen mit AOK und HEK wegen ihres Umgangs mit Betroffenen am meisten der Kritik ausgesetzt sieht, beteuerte, sie stehe zu ihrer gesetzlichen Verpflichtung. „Wer Mitglied werden will, wird Mitglied“, sagte der Verwaltungsratsvorsitzende Holger Langkutsch dem Tagesspiegel. Allerdings könne das Solidaritätsprinzip nicht exklusiv für einige wenige Krankenkassen gelten. „Im Fall der City BKK geht es auch darum, dass wir zwischen den Kassen und Kassenarten zu einem fairen Ausgleich kommen.“ Eine Mitschuld für das derzeitige Dilemma sieht Langkutsch im System. Die Einführung des Zusatzbeitrags habe „das Kostendenken verstärkt und Vermeidungsstrategien befördert“.

Als Grund für die Pleite der City BKK war neben dem Rutschbahneffekt durch einmal verlangte Zusatzbeiträge die Tatsache genannt worden, dass Kassen für Versicherte in Ballungszentren mit hohen Therapiekosten keinen Ausgleich aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Dies sei ein „riesiges Handikap“, sagte der Chef der KKH-Allianz, Ingo Kailuweit. Ohne „Regionalindex“ könne es keinen gerechten Wettbewerb unter den Kassen geben. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Berliner SPD-Fraktion, Thomas Isenberg, forderte „politische Konsequenzen“. Mit dem Ruf nach gesetzlichen Änderungen machten es sich die Akteure „zu einfach“, konterte der CDU-Politiker Spahn. Zwar müsse man immer „schauen, ob alle Mechanismen und Anreize richtig gesetzt sind“. Allerdings hätten eben auch die Landesminister und Senatoren, solange sie ihre Zuständigkeit für Gesundheitsfragen nicht abgeben wollten, „ihre Hausaufgaben zu machen“. Dass eine Kasse vom Markt verschwinde, sei nichts Schlimmes, betonte Spahn. „Unsäglich“ sei nur das Verhalten anderer Kassen gegenüber Betroffenen. Für große Versicherer wie die AOK sei deren Aufnahme „allemal zu verkraften“.

Wegen des starken Andrangs von City-BKK-Versicherten hat die Barmer GEK am Freitag ihre neun Kundencenter in Hamburg geschlossen. Es gebe hunderte von Anfragen, sagte ein Sprecher, zu 99 Prozent kämen sie von Rentnern. Die Mitarbeiter müssten sich nun erst einmal um die eigenen Versicherten kümmern.

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