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Politik: Bundesfinanzhof kritisiert neue Pendlerpauschale Entscheiden muss aber das Verfassungsgericht

Berlin - Verfassungsrechtliche Zweifel zur Pendlerpauschale würden „sehr gelassen“ gesehen. So hatte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums sich im Frühjahr 2006 geäußert.

Berlin - Verfassungsrechtliche Zweifel zur Pendlerpauschale würden „sehr gelassen“ gesehen. So hatte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums sich im Frühjahr 2006 geäußert. Ob die Gelassenheit anhält, ist nun fraglich. Denn am Donnerstag hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Entscheidung zur Entfernungspauschale (so die Amtsbezeichnung) veröffentlicht und darin festgestellt, es sei „ernstlich zweifelhaft“, ob die seit 2007 geltende Kürzung der Pauschale verfassungsgemäß sei. Die Zweifel rühren daher, dass mehrere Finanzgerichte zuvor unterschiedliche Urteile gefällt haben und viele Rechtsgelehrte Bedenken haben.

Das BFH-Urteil ist allerdings noch keine endgültige Entscheidung zur Grundgesetzfestigkeit der neuen Pendlerpauschale. Darüber hat das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden – was es wohl erst im nächsten Jahr tun wird. Sollten sich die Karlsruher Richter den Zweifeln ihrer Kollegen in München anschließen, könnten Arbeitnehmer eine steuermindernde Anerkennung der vollen Entfernung zum Arbeitsplatz für 2007 nachträglich einfordern. Sie müssen dafür aber diese volle Entfernung auch in das Steuerformular eintragen. Für 2006 galt noch die alte Regelung.

Die große Koalition hatte im Vorjahr die Pauschale gekürzt. Die ersten 20 Kilometer bis zum Arbeitsplatz fielen unter den Tisch, erst ab Kilometer 20 können weiterhin 30 Cent veranschlagt werden. Die Regelung war ein Kompromiss zwischen Union und SPD. Die CDU hatte im Wahlkampf die Abschaffung der Pauschale angekündigt, um Mittel für die Haushaltssanierung zu gewinnen. Die SPD hatte das abgelehnt. Am Ende stand die Regel, die einerseits dem Staat mehr Geld bringen, aber Fernpendler nicht zu sehr belasten sollte. Die Bundesregierung hatte die Neuregelung auch mit einer neuen Begründung der Pauschale versehen: Die Fahrt zur Arbeit wurde sozusagen als außergewöhnliche Belastung für eine bestimmte Gruppe definiert und nicht mehr als Werbungskosten für alle. Nun galt anders als früher die Regel, dass die Arbeit erst am Werktor beginnt. Daran will Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) festhalten.

Der Bundesfinanzhof sieht es anders, er stellt das „Werktorprinzip“ in Frage: „Es ist offensichtlich, dass die Kosten der Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (…) jedenfalls nach bisherigem Verständnis beruflich veranlasst sind. Sie sind zur Erwerbssicherung unvermeidlich.“ Das heißt: Arbeit beginnt mit dem Verlassen der Wohnung, die Kosten der Fahrt zur Arbeit dürfen nicht besteuert werden. Der BFH zitiert zur Bestätigung sogar ein uraltes Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts: „Wenn der Erwerbende sich nicht zu seiner Arbeitsstelle begibt, so verdient er auch nichts.“ Die Kläger im aktuellen Fall wollten ihre kompletten 61 Kilometer für 2007 vorab per Freibetrag anrechnen lassen.

Die Begründung der Finanzverwaltung, dass die Kürzung der Pauschale der Etatsanierung diene und daher ein höheres öffentliches Interesse vorliege, hat der BFH vom Tisch gewischt. Denn sonst „würde der Haushaltsvorbehalt jeden (legislativen) Verfassungsverstoß mit genügender finanzieller Breitenwirkung sanktionieren“. (Az. VI B 42/07)

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